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Alanna - Das Lied der Loewin

Alanna - Das Lied der Loewin

Titel: Alanna - Das Lied der Loewin
Autoren: Tamora Pierce
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jemanden?«
    Alanna kamen plötzlich die Tränen. »Ich weiß nicht«, sagte sie.
    »Ich glaube, dass er sehr unkonventionell sein müsste«, seufzte Thayet. »Die meisten Männer ...«
    »Würden in Panik geraten bei dem Gedanken eine Ritterin zu heiraten«, beendete Alanna ihren Satz. »So einer würde mich tödlich langweiligen. Ich habe mächtiges Glück gehabt, was meine Liebhaber betraf.« Sie spielte mit dem Glutstein an ihrem Hals und überlegte, wo Georg wohl gerade war.
    »Dann wirst du auch wieder Glück haben.«
    Am nächsten Morgen absolvierte Alanna gerade ihre Shang-Übungen, als sie den warnenden Pfiff eines Wachtpostens hörte. Er wurde von zwei weiteren beantwortet,
dann erklang noch einer zur Entwarnung. Trotzdem nahm sie ihr Schwert, um sich zu überzeugen, als eine Frau hinter ihr sagte: »Diese Pfiffe galten mir.«
    Alanna wirbelte herum, machte einen Schritt rückwärts und ging in Kampfstellung. Die drahtige Frau, der sie nun gegenüberstand, hob die Hände, um zu zeigen, dass sie keine Waffe trug. Ihr dicht gelocktes Haar war mehr grau als kastanienbraun; die fahlen Augen waren umrahmt von einem sonnengebräunten, wettergegerbten Gesicht. Auf ihren Handschuhen waren die Shang-Kugeln eingeprägt, darüber eine Katze mit gesträubtem Fell. »Nicht schlecht, deine Reflexe«, sagte die Wildkatze mit heller Stimme. »Erwartest du sogar hier einen Angriff?«
    Alanna senkte ihr Schwert. »Ich habe ein aufregendes Jahr hinter mir.«
    »Aha.« Liams Lehrerin musterte sie genau. »Also warst du seine letzte Schülerin. Er dachte, du könntest eine von uns werden, obwohl du schon zu alt warst.« Alanna sah beiseite. Sie hatte Angst, sie könnte anfangen zu weinen. »Begleite mich auf den Hügelkamm dort. Ich bin nur auf der Durchreise. Du kannst mitgehen und mich verabschieden.«
    »Nur um durchzureisen, bist du ein ganz schönes Stück weit gekommen«, entgegnete Alanna, die sich wieder unter Kontrolle hatte. Sie ging hinter der Wildkatze her auf einen Hügelkamm, von dem man auf die Südstraße hinuntersehen konnte. Die ältere Frau blieb stehen, um in die Wüste zu starren.
    »Es tut mir leid – um Liam. Ich wollte, ich hätte es verhindern können«, sagte Alanna.
    Die Wildkatze tat ihre Erklärung mit einer Handbewegung ab. »Du musst verstehen, Ritterin, was es heißt, ein Shang zu sein. Wir alle wissen, dass uns ein früher Tod ereilen
kann. Und er ahnte seinen. Er schrieb mir aus Corus, und zwar am Tag, bevor er getötet wurde. Er bat mich seinen Brief zu vergessen, falls er Glück haben sollte. Wenn nicht, sollte ich dir das hier geben.«
    Sie reichte Alanna ein zusammengefaltetes, versiegeltes Pergament. In ihren Augen standen Tränen, aber mit einem winzigen Lächeln sagte sie: »Ich liebte ihn mehr als meine eigenen Söhne. Es ist schön zu wissen, dass er einen sinnvollen Tod gehabt hat.«
    Alanna öffnete mit zitternden Händen den Brief und las:
     
    Kätzchen –
    so wie ich Dich kenne, wirst Du denken, es sei Deine Schuld, dass ich nun tot bin. Du wirst denken, wenn Du mich nicht mitgeschleppt hättest ... Vergiss es. Erinnerst Du Dich noch an die Doi-Frau, Mi-chi, die sagte, ich würde mein Schicksal kennen? Jahre zuvor hatte mir ein Doi gesagt, ich würde wissen, wenn die Zeit des Dunkelgottes für mich gekommen sei. Ich glaube, jetzt ist es soweit. Falls ich mich irre und am Leben bleibe, wird die Wildkatze diesen Brief sowieso verbrennen, und Du wirst nicht erfahren, dass ich ihn geschrieben habe.
    Mach Dir bloß keine Vorwürfe. Wann habe ich mir je etwas von Dir sagen lassen? Ich habe mein Leben selbst gewählt, habe den Rang eines Drachen akzeptiert, obwohl ich wusste, dass es noch nie einen gab, der vierzig wurde. Wie die Dinge stehen, bin ich seit fast hundert Jahren der älteste Drache.
    Wir beide haben den Tod nie auf dieselbe Weise gesehen (ebenso wenig wie einige andere Dinge), deshalb habe ich mich nicht mit Dir darüber unterhalten. Für Dich ist es nur ein Ende. Für mich ist es von Bedeutung, wie man endet. Für wichtige Dinge zu sterben ist besser als ein Leben in Sicherheit zu führen.

    Ich habe Tortall oft besucht, auch wenn wir uns dort nie über den Weg liefen. Bei den letzten beiden Malen – das erste Mal war, als ich Dich noch nicht kannte, das zweite Mal, als wir in Caynnhafen landeten – spürte ich, dass sich etwas geändert hatte. Wie in der Natur, wenn der Frühling kommt. Bazhir unterhielten sich plötzlich mit den Leuten aus dem Norden und
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