Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Al Wheeler und die gespenstige Lady

Al Wheeler und die gespenstige Lady

Titel: Al Wheeler und die gespenstige Lady
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
ich etwa hundert Meter weiter vorn das Haus erkennen — ein
solides massives Gebäude, elfenbeinweiß im Schein des Blitzes, mit einer
phantastischen Dachsilhouette, die aussah, als bestünde sie ausschließlich aus
Türmchen und Giebeln — ein architektonisches Gebilde, das den Eindruck
vermittelte, als sei es von Disney, Hans Christian Andersen und Graf Dracula
zugleich entworfen worden. Dann wurde die Landschaft wieder in völlige Schwärze
getaucht, und ich war allein mit dem Healey, dessen Scheinwerfer eine schmale
Lichtstraße durch die Regenböen bahnten.
    Die Zufahrt war mit
ungepflegtem Kies bestreut, in den der Regen kleine Flußbette gegraben hatte. Entlang den Seiten standen nasse wildwachsende Büsche.
    Ich parkte den Wagen so nahe
beim Haus wie möglich, stieg dann aus und rannte auf die Eingangstür zu. Das
Haus schien völlig dunkel zu sein; und nun, ohne das beruhigende Geräusch des
Motors meines Healeys mehr im Ohr, begann ich, mich zu fragen, warum um alles
auf der Welt ich je Polizeibeamter geworden war, wenn ich auch von der
Arbeitslosenunterstützung hätte leben können.
    Ein weiterer Blitz erhellte im
richtigen Augenblick das Eingangsportal lange genug, um mich eine riesige
Glocke an der einen Seite der massiven Haustür und dazu einen von ihr
herabhängenden Strick erkennen zu lassen. Ich zog zweimal scharf daran, und die
Glocke übertönte den fortgesetzt rollenden Donner wie die eherne Glocke des
Jüngsten Gerichts.
    Ungefähr zehn Sekunden später
hatte ich das Gefühl, rapide meinen Verstand zu verlieren. Ein kleines, auf
gleicher Höhe mit meinen Augen liegendes Viereck in der Tür begann in schwachem
gelblichem Licht zu schimmern, das zunehmend stärker wurde. Kurz bevor mein
Gehirn endgültig in den Abgrund des Irreseins stürzte, wurde mir klar, daß es
sich um ein in die Tür eingesetztes Guckloch handelte — ein schwer mit Gußeisen vergittertes Glasfenster — und daß das Licht von
einer Lampe stammte, die jemand trug, der sich von innen der Tür näherte. Zwei
eiskalte Augen spähten unbeweglich volle fünf Sekunden zu mir heraus, dann
hörte ich das Geräusch eines schweren Riegels, der zurückgeschoben wurde, und
die Tür öffnete sich langsam mit lautem Quietschen nach innen.
    Die Gestalt, die da stand,
wirkte ganz wie die Tochter Draculas auf ihrem Weg zurück ins Grab, und ich
hatte wenig Lust, ihr dabei in die Quere zu kommen. Sie war eine große,
majestätisch aussehende Person, deren dichtes dunkles Haar ihr lose über den Rücken
herabhing. Sie starrte mich mit geistesabwesendem Ausdruck an. Sie trug eine
Art weißen Gewandes, das geradewegs von ihrem Hals hinab bis zu den Knöcheln zu
wallen schien und das auf Taillenhöhe von einer dünnen silbernen Filigrankette
umschlossen war.
    »Was wollen Sie ?« fragte sie mit tiefer, hallender Stimme.
    »Ich bin Lieutenant Wheeler«,
brachte ich heraus, »vom Büro des Sheriffs .«
    Sie hob den Arm, so daß der
Schein der Lampe in ihrer rechten Hand voll auf mein Gesicht fiel. »Woher soll
ich wissen, ob Sie die Wahrheit sagen ?« fragte sie
gebieterisch.
    »Glauben Sie, daß irgend jemand , der seine fünf Sinne beisammen hat, in einer
solchen Nacht hier heraus käme, um Bürsten zu verkaufen ?« knurrte ich sie an.
    »In einer solchen Nacht kann
man gar nicht vorsichtig genug sein«, fuhr sie mich ihrerseits an. »Haben Sie
einen Ausweis ?«
    Ich zeigte ihr meine Marke, und
sie betrachtete sie so eingehend, als handle es sich um einen Kreditantrag.
Schließlich war sie zufrieden und trat einen Schritt zurück.
    »Bitte, treten Sie ein,
Lieutenant — und bitte putzen Sie Ihre Schuhe ab !«
    Nachdem ich eingetreten war,
schloß sie die Tür und verriegelte sie wieder sorgfältig. » Heute
nacht ist das Böse draußen ebenso wie hier im Haus selbst«, sagte sie
mit sachlicher Stimme. »Der Blitz schleudert seine Feuerbälle zur Erde, und sie fahren mit herab .«
    Ich hatte nicht die Absicht,
mich zu erkundigen, wer sie waren, für den Fall, daß sie es mir sonst
vielleicht mitgeteilt hätte.
    »Hm«, sagte ich vage und
räusperte mich. »Haben Sie kein elektrisches Licht hier draußen ?«
    »Es hat versagt«, antwortete
sie, »kurz bevor er geschrien hat .«
    »Der Bursche in dem
verschlossenen Zimmer?«
    »Henry Slocombe .«
Sie nickte ernst. »Er ist natürlich tot. Der arme Narr dachte, er könnte mit
seiner läppischen Wissenschaft gegen sie ankommen .«
    »Ja?« Ich schluckte. »Nun, wie
wär’s, wenn ich mal nachsehen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher