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Al Wheeler und die gespenstige Lady

Al Wheeler und die gespenstige Lady

Titel: Al Wheeler und die gespenstige Lady
Autoren: Carter Brown
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Morgen
dieses Tages ließ sie ihren Vater feierlich schwören, daß ihr Zimmer auf alle
Zeiten leerstehen sollte. Wenn irgend jemand jemals in diesem Zimmer schlafen würde,
so schwor sie ihrerseits, müßte er sterben, bevor das Jahr zu Ende ginge, und
zwar in der Nacht ihres eigenen Todestages. Sie würde aus ihrem Grab zurückkehren
und dafür sorgen, daß sich der Fluch erfüllte .«
    »Ein grandiose Räuberpistole«,
knurrte ich. »Ist das alles ?«
    »Beinahe«, sagte Justine . »Delia starb in dieser Nacht, und
Urgroßvater begrub sie am nächsten Tag zu Füßen einer Eiche, die auf seinem
Grund und Boden stand. Er ließ das Grab ohne einen Stein oder sonstige
Bezeichnung, verschloß ihr Zimmer, und es blieb unbenutzt, solange er, sein
Sohn Arthur und mein Vater lebten — bis zu dieser Nacht.«
    »Sind Sie wirklich überzeugt, das die Graue Dame zurückgekommen ist und Slocombes Gurgel heute nacht herausgerissen hat ?« fragte ich ungläubig.
    »Alle Pflanzen im Umkreis von
sieben Metern um die Eiche starben innerhalb eines Monats nach Delias
Beerdigung an einer geheimnisvollen Krankheit«, sagte sie in gleichmütigem Ton.
»Die Geschichte hat mich vom Augenblick an, als ich sie als kleines Mädchen zum erstenmal hörte, fasziniert, Lieutenant. Ich habe
einige Nachforschungen angestellt. Die Nacht des dreißigsten April ist
Walpurgisnacht — Vorabend des ersten Mai — , einer
alten Sage zufolge der wichtigste Hexensabbat des Jahres.«
    »Was bewog also Henry Slocombe , die Nacht in dem Zimmer zu verbringen ?« brummte ich.
    »An der Wand im Arbeitszimmer
meines Vaters hängt ein Porträt von Delia«, sagte sie. »Es besteht eine bemerkenswerte
Ähnlichkeit mit meiner jüngeren Schwester Martha. Das bedrückt meinen Vater
seit Jahren .« Sie sah den Ausdruck auf meinem Gesicht
und lächelte. »Das hat schon etwas mit der Sache zu tun, Lieutenant. George
Farrow möchte Martha heiraten — und Vater billigt das. George ist reich, eine
Art Landedelmann, könnte man sagen. Henry Slocombe wollte Martha ebenfalls heiraten — und hatte überhaupt keinen Pfennig Geld.
Aber er sah sehr gut aus, dunkel, beinahe wie ein Zigeuner, hätte man sagen
können .«
    Ich schloß für zwei Sekunden
die Augen, aber Justine Harvey war noch immer da, als
ich sie wieder öffnete. »Wollen Sie behaupten, daß da eine Parallelsituation
zwischen Martha und Delia besteht ?« sagte ich
verbittert.
    »Vater sah die Sache jedenfalls
so an«, sagte sie mit milder Stimme. »Er dachte, der Familienfluch tauchte in
dieser Generation wieder auf, deshalb war er so sehr gegen Marthas Heirat mit
Henry. Er mochte nicht einmal daran denken. Vor zwei Wochen gab es deshalb
beinahe einen Kampf. Henry sagte, das Ganze sei nichts als ein Haufen
blödsinnigen Aberglaubens, und mein Vater solle sich schämen. Es wurde immer
schlimmer, die Männer schrien einander an, und Martha wurde hysterisch.
Schließlich sagte Henry, er würde die Sache ein für allemal ad absurdum führen und in der Walpurgisnacht in Delias Zimmer schlafen .«
    »Und Ihr Vater stimmte zu ?«
    »Nach einer endlosen
Streiterei, ja«, antwortete Justine und nickte. »Der
Gedanke sagte ihm nicht mehr zu als mir, aber sowohl Henry als auch Martha
waren dazu entschlossen, und so gab er schließlich nach .«
    »Was geschah heute nacht — von dem Zeitpunkt an, als Slocombe ins Haus kam ?«
    »Er traf gegen halb acht Uhr
ein«, sagte sie. »Wir aßen gegen acht Uhr zu Abend, und etwa eine Stunde später
ging Henry in das Zimmer hinauf. Er nahm das Tonbandgerät und seine Aktenmappe
mit und schloß sich ein .«
    »Hatten Sie den Eindruck, daß
er nervös war ?« fragte ich.
    »Nein, eher herausfordernd,
würde ich sagen .« Sie überlegte eine kleine Weile. »Er
sagte, es solle sich niemand unterstehen, ihm irgendeinen faulen Streich zu
spielen, er habe einen geladenen Revolver in seiner Aktenmappe und gedächte,
ihn auch notfalls zu benutzen .«
    »War das alles ?«
    »Oh, er gab noch zum besten , was er der Grauen Dame
alles erzählen würde, wenn sie wirklich in diesem Zimmer erscheinen sollte. Ich
hatte den Eindruck, als spielte er absichtlich ein wenig den Herausfordernden —
so wie der kleine Junge, der im Dunkeln laut zu pfeifen anfängt, wissen Sie ?«
    »Was geschah, nachdem er sich
im Zimmer eingeschlossen hatte ?«
    »Martha zog sich in ihr eigenes
Zimmer zurück. Sie war sehr aufgeregt und in Tränen. Die Männer gingen
hinunter, und ich verschwand in mein Zimmer und versuchte
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