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Akte X Novel

Akte X Novel

Titel: Akte X Novel
Autoren: Schatten
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größte Teil der Woche frei von Eintragungen war. Dennoch konnte Ms. Winn es sich nicht verkneifen, ihre geringe Macht voll auszuspielen. „Morgen um drei“, sagte die Chefsekretärin schließlich.
„Kann ich nicht heute noch zu ihm?“ hakte Lauren nach. Sie mußte Dorlund sprechen, ehe das bißchen Courage, das ihr geblieben war, sie auch noch im Stich ließ. „Es ist wirklich wichtig.“
Ms. Winn sah verärgert auf. Ohne den Blick von Lauren abzuwenden, griff sie nach ihrem Kaffeebecher.
Lauren sah zu, wie sich Ms. Winns Finger dem Griff näherten – und plötzlich wich der Becher zwei Zentimeter zurück. Dann kippte er, und der kochendheiße Kaffee ergoß sich über den Schreibtisch und die Hand der Sekretärin.
Ms. Winn schrie schmerzerfüllt auf, und Laurens Augen weiteten sich vor Entsetzen. Es passiert schon wieder, dachte sie voller Verzweiflung.
Lauren fühlte, wie ihr Körper zu zittern begann. Was, wenn Ms. Winn es wußte? Was, wenn sie nicht glaubte, daß dies bloß ein Zufall war?
Zu ihrer größten Erleichterung schien die Chefsekretärin zwar aufgebracht, aber keineswegs mißtrauisch zu sein. Lauren atmete tie f durch und beruhigte sich wieder. Dann griff sie nach den Taschentüchern auf dem Schreibtisch und fing an, den verschütteten Kaffee aufzuwischen.
Ms. Winn gab noch immer leise Schmerzenslaute von sich, als die Bürotür hinter ihr geöffnet wurde.
Robert Dorlund erschien im Türrahmen und nahm seine Lesebrille ab. Für eine Sekunde sahen sie einander an, ehe er den Augenkontakt abrupt abbrach.
„Ist hier draußen alles in Ordnung?“
„Kann ich Sie kurz sprechen?“ fragte Lauren.
Er zögerte kurz und nickte dann Ms. Winn zu.
Lauren schob sich an der aufgeregten Sekretärin vorbei in Dorlunds Büro, und er zog die Tür hinter ihnen ins Schloß.
Sie war zwar nicht zum ersten Mal in diesem Büro, doch der Anblick überraschte sie jedesmal aufs neue. Es konnte, gemessen an der Einrichtung der übrigen Firmenräume, durchaus als luxuriös gelten. Ein gewaltiger Mahagonischreibtisch und ein hochlehniger Ledersessel dominierten das Zimmer. Die Wände waren mit teurem Seidenbrokat verkleidet, und auf dem Boden lag ein antiker Orientteppich.
Als suche sie Halt, legte Lauren die Hände auf die Rückenlehne eines lederbezogenen grünen Stuhles.
„Bitte“, sagte Dorlund lächelnd und bedeutete ihr, sich zu setzen.
Dorlund war ein stämmiger Mann in den Fünfzigern, dessen Haar grau wurde. Wie die Möbel in seinem Büro war auch seine Kleidung ausgesprochen kostspielig. An diesem Tag trug er einen kohlefarbenen, wollenen Anzug und ein hellgraues Hemd, ebenfalls aus feinster Wolle. Seine blaue Seidenkrawatte wurde von einer vierkantigen, goldenen Krawattennadel gehalten, die zu dem Ring an seinem kleinen Finger und dem Namenskettchen am Handgelenk paßte.
Lauren staunte immer wieder über diesen Kontrast. Howard Graves war Dorlunds Geschäftspartner gewesen, aber er hatte sich nie so verhalten, als hätte er übermäßig viel Geld. Dorlund hingegen stank förmlich nach Reichtum.
„Was gibt es denn, Lauren?“ fragte Dorlund mit besorgter Stimme.
Obwohl sie ihre Worte während des ganzen Weges zur Arbeit immer wieder und wieder repetiert hatte, war sie nervös. Sie setzt e sich auf den Stuhl und plazierte ihre Tasche auf dem Schoß.
„Ich bin hier, um, äh, meine zweiwöchige Kündigungsfrist wahrzunehmen“, sagte sie schließlich.
„Aha“, nickte er, als hätte er nichts anderes erwartet.
„Lauren“, fuhr er dann fort, „Jane hat mir erzählt, daß Sie gestern in Howards Büro geweint haben, und... ich möchte, daß Sie wissen... Sie sind nicht allein. Wir teilen etwas ganz Besonderes.“ Er trat um den Schreibtisch herum und setzte sich direkt vor ihr auf die Kante der Tischplatte. „Howard und ich haben diese Firma vor zehn Jahren gegründet. Und so lange ich ihn kannte, hat ihn außerhalb der Arbeit nie etwas interessiert, und so wurden manche von uns zu seiner Familie. Ich war sein Bruder. Und Sie waren wie eine Tochter für ihn.“
Lauren sah zu Boden. Dorlund hatte recht, und das tat weh. Howard Graves war auch für sie wie ein Mitglied ihrer eigenen Familie gewesen.
Dorlund lächelte, doch diesem Lächeln hatte Lauren noch nie getraut. „Deshalb fühle ich mich Ihnen natürlich auch sehr nahe“, versicherte er. „Und... ich... ich möchte für meine Familie sorgen.“
Lauren rutschte auf dem Stuhl hin und her. Das war nicht die Antwort, mit der sie gerechnet hatte, und es war
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