Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Akte X

Akte X

Titel: Akte X
Autoren: Antikorper
Vom Netzwerk:
vorbeigefahren.
    »Wir hätten den Ausflug besser planen sollen«, sagte seine Frau, die neben ihm auf dem Beifahrersitz saß.
     
    »Ich glaube, das hast du bereits erwähnt«, erwiderte Richard spitz. »Ein- oder zweimal.«
    Auf der Rückbank demonstrierten Megan und Rory ihre unendliche Langeweile auf untypische Weise. Rory war so unruhig, daß er seinen Gameboy ausgeschaltet hatte, und Megan war so müde, daß sie sogar aufgehört hatte, ihren Bruder zu ärgern.
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll«, jammerte Rory.
     
    »Dad, kennst du nicht irgendwelche Spiele?« fragte Megan. »Hast du als Kind nie Langeweile gehabt?«
    Er rang sich ein Lächeln ab und betrachtete dann im Rückspiegel die mürrischen Gesichter der beiden Kinder auf dem Rücksitz des Subaru Outback. Richard hatte den Wagen für ihren Kurzurlaub gemietet, da seine Bereifung und sein Allradantrieb für diese Bergstraßen ideal geeignet waren. Zu Beginn der langen Fahrt hatte er sich wie Superdad gefühlt.
    »Nun, meine Schwester und ich haben häufig ein Spiel namens SILO gespielt. Das war in Illinois, wo es eine Menge Farmen gab. Man mußte dabei die Landschaft im Auge behalten und sich jedesmal melden, wenn man einen Silo neben einer Scheune entdeckte. Wer die meisten Silos sah, hatte gewonnen.« Er versuchte, es interessant klingen zu lassen, aber schon damals hatte nur die Eintönigkeit des ländlichen Mittieren Westens aus SILO ein halbwegs unterhaltsames Spiel gemacht.
    »Das bringt nicht viel, wenn's draußen dunkel ist, Dad«, meinte Rory.
»Ich glaube außerdem nicht, daß es hier irgendwelche Silos oder Scheunen gibt«, fügte Megan hinzu.
    Rechts und links huschten dunkle Bäume vorbei, und die grellen Scheinwerferstrahlen ließen den schmalen Highway wie einen Tunnel erscheinen. Er fuhr weiter und überlegte fieberhaft, wie er seine Kinder ablenken konnte. Es sollte für alle ein schöner Urlaub werden, schwor er sich. Morgen würden sie Devü's Churn besichtigen, wo die Ozeanwellen wie ein Geysir durch ein Loch in den Felsen hinauf schossen, und dann würden sie zur Columbia-River-Schlucht weiterfahren und jede Menge Wasserfälle bewundern können.
    Doch jetzt wollte er nichts anderes, als eine Unterkunft für die Nacht finden.
»Ein Hund!« schrie seine Frau. »Ein Hund! Paß auf!«
    Im ersten Moment glaubte Richard, daß sie eine bizarre Variante des SILO-Spiels spielte, aber dann entdeckte er die vierbeinige Gestalt, die mitten auf der Straße stand, mit glänzenden Augen wie Pfützen aus Quecksilber, in denen sich das Scheinwerferlicht spiegelte.
    Er trat auf die Bremse, und die neuen Reifen des gemieteten Subarus rutschten über den schlüpfrigen Belag aus heruntergefallenem Laub. Der Wagen schlingerte und wurde langsamer, brauste aber weiter wie eine außer Kontrolle geratene Lokomotive.
    Im Fond kreischten die Kinder. Die Bremsen und Reifen kreischten noch lauter.
    Der Hund versuchte im letzten Moment noch davonzu-springen, aber da traf ihn schon die Stoßstange des Subarus mit einem grausigen dumpfen Krachen. Der schwarze Labrador flog auf die Kühlerhaube, knallte gegen die Windschutzscheibe, prallte ab und segelte in den unkrautbewachsenen Graben.
    Der Wagen kam mit quietschenden Reifen zum Halt und wirbelte den regennassen Kieselbelag des Straßenrands auf. »Jesus Christus!« schrie Richard und schaltete so herunter, daß das ganze Fahrzeug wackelte.
    Er griff nach seinem Sicherheitsgurt, fummelte am Verschluß, drückte und zerrte, bis er sich endlich öffnete. Megan und Rory klammerten sich im Fond aneinander, vor Entsetzen wie gelähmt, aber Richard stieß die Tür auf und sprang aus dem Wagen. Erst dann, viel zu spät, sah er nach hinten, ob vielleicht ein anderes Auto oder gar ein Lastwagen heran raste.
    Nichts. Kein Verkehr, nur die Nacht. Im tiefen Wald waren sogar die Nachtinsekten verstummt, als würden sie das Drama beobachten.
    Von einer düsteren Vorahnung erfüllt bog er um den Wagen. Er entdeckte eine Beule im Kotflügel, einen zerschmetterten Scheinwerfer, einen Kratzer an der Kühlerhaube des Mietwagens. Schmerzhaft deutlich erinnerte er sich an seine leichtfertige, übermütige Art, mit der er die Vollkaskoversicherung des Mietwagenverleihers abgelehnt hatte. Jetzt starrte er die Bescherung an und fragte sich, wieviel die Reparatur wohl kosten würde.
    Die hintere Tür öffnete sich einen Spalt weit, und eine sehr blasse Megan schlüpfte heraus. »Daddy? Geht es ihm gut?« Sie sah sich um, blinzelte in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher