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Aibon-Teufel

Aibon-Teufel

Titel: Aibon-Teufel
Autoren: Jason Dark
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Da konnten sich die Menschen auch um ein Grab versammeln, ohne gleich auf ein anderes zu treten. Hier hatte die Welt das Reden verlernt, zumindest, was die Menschen anging. Nur das Krächzen oder manchmal schrille Schreien der Wintervögel wehte über das dünne Gräberfeld hinweg. Kolkraben, Krähen und auch Elstern gaben den Toten die Ehre.
    So wie in diesem Fall Liane Holbrook. Die Menschen waren aus dem Ort gekommen, um ihr das letzte Geleit zu geben. Es war kalt, aber der Frost war nicht zu tief in den Boden eingedrungen. So hatte das Grab mühelos ausgehoben werden können.
    Es gab keinen Totengräber. So etwas übernahmen die Dorfbewohner, denn das war Ehrensache.
    Der Pfarrer, ein Mann, der in der Großstadt schon längst in Pension geschickt worden wäre, hatte seine letzten Gebete gesprochen. Danach wurde der Sarg an Seilen in das Grab gelassen. Noch einmal wurde er gesegnet, und dann stand Harold Holbrook als Erster an der Öffnung. Er sagte nichts. Der Schmerz hatte sich nicht nur in seinem Innern festgefressen, er war ihm auch körperlich anzusehen.
    Der Pfarrer kondolierte dem Witwer als Erster. Er ging dann mit unsicheren Schritten weg.
    Die nächsten Szenen erlebte Harold Holbrook wie im Traum. Die Menschen drückten ihm die Hände. Sie sagten einige Worte, und Holbrook bedankte sich.
    Er kannte den Vorgang ja. Oft genug hatte er zu den Kondolierenden gehört, und er hatte immer damit gerechnet, dass es auch mal umgekehrt sein würde.
    »Geht schon vor ins Gasthaus«, sagte er, als die letzte Frau ihm die Hand reichte. »Ich brauche noch einige Minuten und komme dann nach.«
    »Lass dir Zeit, Harold.«
    »Danke.«
    Holbrook drehte sich vom offenen Grab seiner Frau weg und schaute den Menschen hinterher, die in Richtung Dorf gingen, um sich im Gasthaus zu versammeln. Es würde dort das Reueessen geben, eben wie es der alten Tradition entsprach.
    Der Weg führte leicht bergab. Es war nur ein Pfad, der die Wiesen durchschnitt, auf denen auch jetzt noch der Schnee in letzten, schmutzigen Resten lag.
    Jenseits der Wiesen breitete sich der kleine Ort aus. Da bewegte sich nichts, und man konnte den Eindruck haben, dass es sich um eine gemalte Filmkulisse handelte. Die Farbe Grau herrschte dort vor, als wollten sich die Fassaden der wenigen Häuser dem Himmel über Schottland anpassen.
    Holbrook drehte sich wieder um. Den kalten Wind spürte er nicht. Er hatte seinen Schal um den Hals gewickelt. Seine Augen waren trocken. Er hatte keine Tränen mehr, doch die Trauer steckte tief in ihm.
    Er wusste sehr gut, dass noch eine besondere Aufgabe vor ihm lag. Er würde einer Tradition folgen und das Grab seiner Frau zuschaufeln. Kräftig genug fühlte er sich. Wäre es anders gewesen, hätten es die Menschen aus dem Dorf übernommen.
    Die Trauergäste hatten bereits Lehm auf den Sarg fallen lassen. Zwei Spaten steckten in dem Haufen. Einen zog Harold hervor und begann mit seiner Arbeit.
    Er gab sich Mühe, sie schnell hinter sich zu bringen, aber er schaufelte nur so viel Erde in das Grab hinein, bis der Sarg damit bedeckt war. Dann hörte er auf.
    Niemand konnte ihm vorschreiben, wann er seine Arbeit fortführen sollte. Hier gab es keine Friedhofsverwaltung, die irgendwelche Vorgänge kontrollierte. Alles lief ab wie in früheren Zeiten, und das musste auch so sein. Die Traditionen würden erst aussterben, wenn es keinen Menschen mehr im Ort gab.
    »Ich komme wieder, Liane, und glaube mir, ich werde mein Versprechen einhalten...«
    Nach diesen Worten drehte er sich schwerfällig um. Mutterseelenallein ging er in den Ort, wo das Reueessen auf ihn wartete. Oder auch der Leichenschmaus, aber den Begriff hasste er.
    Es war erst Mittag. Bis zum Einbruch der Dunkelheit hatte er noch Zeit. Dann würde er zurückkehren und das tun, was getan werden musste...
    ***
    Maxine Wells!
    Da stand sie und lachte, als ich den Saal verließ und in den düsteren Flur trat, der nicht nur breit, sondern auch hoch war. An den Seiten standen einige Bänke, auf denen sich die Besucher ausruhen konnten oder darauf warteten, als Zeugen aufgerufen zu werden.
    So war das nun mal in einem Gericht, und diesmal hatte ich zu den Zeugen gehört und war extra von London nach Dundee gefahren.
    Es ging weder um Dämonen, Zombies oder Vampire. Ich hatte einer ganz normalen Verhandlung beigewohnt. Praktisch als Vertreter meiner toten Eltern, denn es ging um ein Grundstück, bei dem die Besitzrechte nicht ganz klar waren. Meine Eltern hatten es damals
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