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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid
Autoren: Sobo Swobodnik
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»Ihr Bruder ist im normalen Leben übrigens tatsächlich Steward.« Und im Urlaub vom normalen Leben Mörder, dachte Plotek. Als Hobby quasi. Und wieder: kein schöner Gedanke.
    »Die Idee war, auch die anderen, Augustin, Kuhlbrodt, Sailer und Bruchmeier, auf das Schiff zu bestellen. Mit einer handfesten Drohung natürlich: Entweder aufs Schiff oder die Akten gehen direkt an die Presse. Was das zu bedeuten hatte, war jedem Einzelnen natürlich sehr schnell klar. Dafür stehen alle zu sehr im Fokus der Öffentlichkeit. Sie bekamen von den Liebermanns eine Seite aus den Akten als Kopie mit der Post zugeschickt, und das reichte.«
    »Und die Zwillingsschwester aus dem Zug?«
    »Tja, die beiden vermuten, dass sie es sich noch im letzten Moment anders überlegt hat und bei diesem tödlichen Spiel doch nicht mitmachen wollte.«
    »Soll das heißen, die wissen gar nicht, dass sie tot ist?«
    »Anscheinend nicht.«
    »Aber wer hat sie auf dem Gewissen?«
    Vinzi dachte nach und schwieg. Schließlich sagte er: »Eine ähnlich spannende Frage wie die, wie wir hier wieder rauskommen.« Es klang wenig hoffnungsvoll.
    »Ohne fremde Hilfe vermutlich gar nicht«, sagte Plotek ähnlich verzweifelt. »Zumindest nicht lebend.«
    Plotek war ja schon in vielen eigenartigen Räumen eingeschlossen gewesen, aus denen er sich immer wieder befreien hatte können. Oder besser: befreit worden war. An Armen und Beinen gefesselt in einem Sarg hatte er schon gelegen. In den Katakomben eines Altöttinger Klosters. In einem tschechischen Knast. In einer dunklen Abstellkammer mit platten Fußbällen und zerrissenen Fußballnetzen auf St. Pauli. Aber immer kam schließlich doch noch von irgendwo ein Lichtlein daher. Auch wenn die Situation noch so düster anmutete.
    »Ich fürchte mal, dass wir hier nur zwischengelagert sind«, sagte Vinzi. »So wie ich die beiden Liebermanns einschätze, haben sie für uns einen anderen Tod vorgesehen.« Er lachte wieder spöttisch, was aber in einem Hustenanfall unterging. »Einen, der ihrer Logik entspricht.«
    »Du meinst IM Herz?«
    »Exakt.«
    »Und ich?«
    »Tja, du.« Ohne lange nachzudenken, sagte Vinzi: »Ich nehme mal an, dich nehmen sie als Kollateralschaden gerne in Kauf – außerdem hat ein Herz zwei Kammern.«
    Sie schwiegen wieder eine Weile. Bis Plotek aufgrund der immer spürbareren Kälte schließlich drängte: »Was machen wir denn jetzt?«
    »Jetzt kann uns nur noch ein Wunder helfen«, antwortete Vinzi. Wobei beide natürlich wussten, dass Wunder sich schon ab und zu mal ereignen. Oder Ereignisse eintreten, die man für solche halten könnte. Zum Beispiel eine Marienerscheinung im saarländischen Marpingen. Oder ein lebend geborgenes Erdbebenopfer nach wochenlanger Verschüttung. Bewusstseinsrückkehr nach jahrzehntelangem Wachkoma. Aber sie wussten auch ganz gut, dass Wunder doch eher im Bereich der Mystik, Religion und Esoterik zu Hause waren. Weniger in einem Kühlraum eines Schiffes. Das jetzt unschuldig wie ein Seesaibling durch die norwegische Nacht trieb. Davon abgesehen, dass dieses Unternehmen hier alles andere als unter einem guten Stern zu stehen schien. Für die beiden zumindest. Dennoch: Kaum hatte Vinzi die Option auf ein Wunder verbalisiert, ging tatsächlich die schwere Kühlraumtür auf, und ein Engel stand im hell erleuchteten Türrahmen. Nun, das sagt man so einfach. Stimmte auch auf der einen Seite. Auf der anderen wiederum so gar nicht. Weil Engel keine Pistolen in der Hand halten. Dieser hatte aber eine. Und die war direkt auf Vinzis Kopf gerichtet. Während der Engel sagte: »Her mit der Kohle.« Was den Engel gänzlich diskreditierte. Soll heißen: Das war definitiv kein Engel. Das war Swantje Schmitz! Die jetzt einen Schritt in den Kühlraum machte. Dabei auch ein wenig irritiert schien, weil nicht Vinzi, sondern Plotek im Rollstuhl saß. Wieso weiß die denn von dem Kathetergeld?, dachte Plotek sofort. Selbst wenn wir ihr die Kohle geben, wird sie »Danke« sagen und dann »arrivederci«. Tür zu. Weiterfrieren. Vinzi dachte genauso und sagte kühl: »Es ist nicht hier!«
    »Wo dann?«, kam ebenso frostig von Swantje zurück. Noch immer die Pistole auf Vinzi gerichtet. Vinzi überlegte kurz und sagte dann ganz trocken: »In der Kabine.«
    Swantje machte jetzt einen Schritt in den Kühlraum. Sie hielt die Waffe direkt an Vinzis Schläfe. »Komm!«
    Vinzi dachte nicht im Traum daran. »Entweder beide oder keiner«, sagte er berechnend. Was Swantje gar nicht behagte. Sie
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