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Agrarwende jetzt

Titel: Agrarwende jetzt
Autoren: Franz Alt , Brigitte Alt
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Vielleicht erkennen wir im 21. Jahrhundert, dass Tiere empfindsame Wesen sind und ihre eigene Würde und ein ureigenes Lebensrecht haben.
    Solange wir die Seele der Tiere missachten, nehmen wir Schaden an unserer eigenen Seele. Die ökologische Krise und die seelischen Nöte unserer Zeit korrespondieren miteinander. Nach dem Alten Testament und nach Paulus wartet »die ganze Schöpfung auf Erlösung« (Römer 8,18) - also auch die Tiere. Tiere gehören zur christlichen Erlösungsvorstellung. Ich kann mir gut vorstellen, dass unsere Töchter Recht hatten mit ihrer Hoffnung, dass nach ihrem Tod Lemmi, Schelmi oder Lümmel »jetzt im Hasenhimmel sind«. Als die Kleintiere unserer Kinder starben, haben wir sie wie selbstverständlich mit einem Ritual beerdigt.
    Menschsein heißt Menschwerden. Auf dem Wege zur Menschwerdung ist die Missachtung der Tiere um uns und damit die Ignoranz des Tierischen in uns vielleicht die größte Hürde.
    Müssen wir angesichts des unermesslichen Tierelends in ohnmächtigem Nichtstun erstarren?
    Der größte Fehler von uns Menschen ist vielleicht der, dass wir nichts tun, weil wir meist nur wenig tun können. Dieser Fehler ist in Wahrheit unsere inhumanste Ausrede. Tiere warten auf unsere Humanität - ebenso wie Gott. Mensch und Tier leben in derselben Arche Schöpfung. Wir werden gemeinsam überleben oder gemeinsam untergehen.
    Der Limburger Bischof Franz Kamphaus sagte beim Besuch eines Bauernhofes: »Im Agrarsektor kommt die Globalisierung an ihre Grenzen. Lokale Produktion und Vermarktung sind angesagt. Was wir erleben, hat auch zu tun mit der Industrialisierung der Landwirtschaft. Agrarindustrie - dieses Wort ist verräterisch: Es verbindet, was sich nicht verbinden lässt. Tiere sind keine Autos und Bauern sind keine Ingenieure. Landwirte müssen über ihr Berufsethos nachdenken.«
    Menschen in der Dritten Welt sehen im Verbrennen von Rindern sicher ein Symptom unserer Wegwerfgesellschaft. Bischof Kamphaus: »Ist in den reichen Gesellschaften etwas kaputt, wird es weggeworfen. Eine Kuh mit Maul- und Klauenseuche ist zerstört. In armen Gesellschaften wird ein krankes Tier gesund gepflegt, was kaputt ist, wird repariert.«
    Mehrere 100 Christen beider Konfessionen haben 1988 im hessischen Glauburg das »Glauburger Schuldbekenntnis« formuliert. Einige tausend Menschen - darunter etwa 100 Theologinnen und Theologen - haben inzwischen unterschrieben.
    »Wir bekennen vor Gott, dem Schöpfer der Tiere, und vor unseren Mitmenschen:
     
    Wir haben als Christen versagt,
weil wir in unserem Glauben
die Tiere vergessen haben.
     
    Wir waren als Theologen nicht bereit,
lebensfeindlichen Tendenzen
in Naturwissenschaft und Philosophie
die Theologie der Schöpfung entgegenzuhalten.
     
    Wir haben den diakonischen Auftrag Jesu verraten
und unseren geringsten Brüdern, den Tieren,
nicht gedient.
     
    Wir hatten als Pfarrer Angst,
Tieren in unseren Kirchen und Gemeinden Raum zu
geben.
    Wir waren als Kirche taub
für das Seufzen der misshandelten und ausgebeuteten
Kreatur.« 3 )
    Die offiziellen Kirchen sind freilich sternenweit von einer ernst zu nehmenden Tierethik entfernt. Der Theologe Michael Blanke hat 1988 im ZDF einen Tiergottesdienst gestaltet. Die evangelische Amtskirche hatte Einwände und Bedenken. Michael Blanke durfte nicht vortragen, was er für richtig hielt. Er erklärte nach der Sendung:
    »Im Lied ›Bück dich für den Wurm‹ müssen wir die Strophen über das Fleischessen und das Pelzkaufen weglassen; von der ›Endlösung‹, die wir für die Schöpfung vorbereiten und schon durchführen, dürfen wir nicht reden und auch nicht von ›Tier-KZs‹, obwohl ja schon Martin Niemöller diesen Ausdruck ungestraft verwendet hat. Wir merken, wie wir zwischen die Mühlsteine mächtiger Interessengruppen geraten sind: Die Pelzindustrie hat uns aufs Korn genommen und hat bei der EKD Druck und Angst gemacht.«**)
    Den Druck der Pelzindustrie und der »tierverarbeitenden« Industrie habe ich auch als Fernsehjournalist kennen gelernt. Dieser Druck zwingt nicht nur Bischöfe, sondern auch Fernsehintendanten in die Knie. Pelzindustrie, Waffenindustrie, Chemieindustrie und Atomlobby waren neben Politikern meine besten »Kunden« in den 20 Jahren, in denen ich das ARD-Magazin »Report Baden-Baden« geleitet und moderiert habe. Wer die notwendigen Veränderungen verhindert? Es sind fast immer die Vertreter des großen Kapitals, denen viel zu viele von uns mit ihrem Geld noch immer dienen - meistens
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