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Agrarwende jetzt

Titel: Agrarwende jetzt
Autoren: Franz Alt , Brigitte Alt
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30 Prozent reduzieren, und schon sind die Gesamtausgaben gleich hoch wie bei der konventionellen Ernährung. Da der deutsche Fleischkonsum jährlich bei etwa 90 Kilogramm pro Kopf liegt, wäre diese Reduktion gesundheitsförderlich, denn zu viel tierisches Fett hat Arterienverkalkung, Kreislauferkrankungen, Herzkrankheiten, Diabetes und andere körperliche Leiden zur Folge. So viel wie wir heute noch für Nahrungsmittel ausgeben, wenden wir bereits für Urlaub und Freizeit auf. Der EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler: »Wenn die Verbraucher bereit sind, nur ein oder zwei Prozent mehr als bisher für Lebensmittel auszugeben, dann können alle Bauern Europas künftig zu hundert Prozent ökologisch produzieren.«
    Die einzig realistische Frage heißt also nicht: Sind ÖkoLebensmittel zu teuer? Sie heißt: Was bedeutet »Klasse statt Masse« hinsichtlich der Preise? Wer den ersten und wichtigsten Mythos der alten Landwirtschaft durchschaut, wird rasch erkennen: Gesunde Lebensmittel für alle durch eine rasche Agrarwende sind möglich und nötig.
    Ich erinnere mich, dass Bundeskanzler Konrad Adenauer im Wahlkampf 1961 den niedrigen Preis für Brathähnchen als Ausdruck des »Wirtschaftswunders« pries. Damals musste ein Arbeiter für ein Kilogramm Brathähnchen noch zwei Stunden schaffen. Heute muss ein Durchschnittsverdiener nur noch zehn Minuten arbeiten, um sich ein Kilogramm Brathähnchen »leisten« zu können.
    Für das giftige Motoröl unserer Autos zahlen wir klaglos 20 Mark an der Tankstelle, aber das Speiseöl im »Super«-Markt darf nicht mehr als 2,49 Mark kosten. In vielen »Super«-Märkten kostet ein Kilo Katzenfutter etwa doppelt so viel wie das Schweinekotelett für die Katzenfreundin.
    Das Problem für Normalverdienende ist also nicht, dass Ökolebensmittel zu teuer sind. Ein Problem für die herkömmliche Landwirtschaft ist freilich, dass ihre konventionellen Waren zu billig sind. Volkswirtschaftlich erkaufen wir uns die angeblich billigen Lebensmittel über Subventionen und hohe Umweltfolgekosten sehr, sehr teuer. Langfristig ist nichts so teuer wie ein »Weiter so!«, und nichts ist schon mittelfristig so preiswert wie der rasche Umstieg auf die etwas teureren ökologischen Produkte.
    Mitten in der BSE-Krise bitten mich Bauern zu einem Vortrag über die Zukunft der Landwirtschaft. In einem nordbadischen Dorfgasthaus bei Bruchsal sitzen die verunsicherten Landwirte und lesen die Speise- und Getränkepreise. Da wird ihnen ein Glas Mineralwasser für fünf Mark angeboten. Ich frage die Bauern, wie viel Liter Milch sie verkaufen müssen, um sich an diesem Nachmittag ein Glas Mineralwasser bestellen zu können. Einer rechnet vor, dass er zur Zeit 69 Pfennig für einen Liter Milch bekommt. »Das heißt, ich muss für ein Glas Mineralwasser mehr als sieben Liter Milch verkaufen.«
    Verspüren Sie Lust, nach diesem Preisvergleich in der Landwirtschaft zu arbeiten? Kein anderer Beruf wurde in den letzten 50 Jahren systematisch so sehr in den Ruin getrieben wie der Urberuf einer jeden Gesellschaft - die unsere Lebensmittel produzierenden Landwirte.
    Ein System, das die Bauern so in die Preisfalle lockt wie das heutige Landwirtschaftssystem, muss von Grund auf geändert - es muss vom Kopf wieder auf die Füße gestellt werden. Und das heißt auch: Landwirte müssen selbstverständlich für ihre Produkte und für ihre Arbeit besser entlohnt werden. Und zwar alle Landwirte. Warum der Mythos von den zu teuren Ökolebensmitteln noch immer Wirkung zeigt? Die Antwort wusste schon Albert Einstein: »Das Weltall und die menschliche Dummheit sind unendlich. Beim Weltall bin ich mir allerdings nicht ganz sicher.« Nach 200 Jahren Aufklärung stehen wir erst am Anfang beim Kampf gegen die Dummheit, wie ein einziger Blick in Massenhähnchenfabriken zeigt. Schopenhauers Behauptung: »Diese Erde bedeutet die Hölle für die Tiere«, wurde erst zu unserer Zeit grauenhafte Wirklichkeit.
    Nichts ist teurer als der Wahnsinn, Rindfleisch aus Argentinien zum Verkauf nach Europa zu verfrachten. Da Flugbenzin und Schiffstreibstoff steuerfrei sind, scheinen Tierprodukte aus Übersee an den hiesigen Supermarktkassen so billig zu sein.
    Die Realität ist, dass pro Liter Sprit zehntausend Liter Luft verpestet werden - per Flugzeug und per Schiff. Weltweit sparen auf diese Weise die Flugzeug- und Schiffsunternehmer 600 Milliarden Dollar Steuergeld - jährlich. Das ist das größte und verheerendste Steuergeschenk aller Zeiten!
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