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Affaere in Washington

Affaere in Washington

Titel: Affaere in Washington
Autoren: Nora Roberts
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hatte. »In der P-Street.«
    »Seltsam, dass wir uns noch nie begegnet sind. Mein Laden liegt dort ganz in der Nähe.«
    »Sie führen ein Geschäft?« Wahrscheinlich ausgefallene Kleider, Samtjäckchen und Modeschmuck, mutmaßte er.
    »Ich bin Töpferin.«
    Impulsiv nahm Alan Shelbys Hände, drehte die Innenflächen nach oben und betrachtete sie prüfend. Es waren schmale Hände mit langen Fingern und kurz geschnittenen, unlackierten Nägeln. Sie waren angenehm zu halten, das galt auch für das schlanke Handgelenk unter einem schweren goldenen Armband. »Sind Sie gut?«, fragte er.
    »Ich bin fantastisch!« Shelby spürte erstaunt, dass es ihr heute schwerfallen würde, nach ihrer selbst erdachten Vorsichtsmaßnahme zu verfahren. Normalerweise hätte sie schon längst aufstehen und den Kontakt zu diesem Mann abbrechen müssen. Wenn ich es jetzt nicht tue, ist es vielleicht zu spät, und er hält meine Hände morgen auch noch, dachte sie. Doch sie forschte weiter. »Sie stammen nicht aus Washington, woher kommen Sie?«
    »Aus Massachusetts.«
    »Ah ja! Eine Spur von Harvard ist geblieben. Aber Mediziner sind Sie gewiss nicht«, überlegte sie laut und bewegte ihre Finger in Alans Hand, ohne sich seinem Griff zu entziehen. »Für einen Arzt sind Ihre Ballen nicht weich genug.«
    Welchen Beruf mochte er haben? War er Künstler? Der leicht träumerische, grüblerische Ausdruck in seinen Augen ließ auf einen Menschen schließen, der dazu neigte, die Dinge erst gründlich zu durchdenken, ehe er handelte.
    Alan hatte sich die ernsthafte Inspektion geduldig gefallen lassen, doch nun schien es ihm an der Zeit, seine Gesprächspartnerin aufzuklären. »Jurist«, sagte er und fügte, als er Shelbys verwirrte Miene sah, hinzu: »Enttäuscht?«
    »Nur überrascht«, erwiderte sie. »Das liegt wohl daran, dass ich mir alle Anwälte mit weißer Perücke und dicken Augengläsern vorstelle. Bei einer Menge alltäglicher Dinge können einen Gesetze ganz schön nerven, finden Sie nicht auch?«
    Alan hob verwundert die Brauen. »Bei Mord und Totschlag etwa?«
    »Nein, das meine ich natürlich nicht, das ist doch nichts Alltägliches, oder? Ich dachte an die endlosen bürokratischen Vorschriften. Sie können sich kein Bild machen, wie viele Formulare ich ausfüllen muss, nur um meine Töpferwaren zu verkaufen. Das muss doch gelesen und bearbeitet, von Neuem verschickt und sortiert werden und so weiter. Wäre es nicht praktischer, man ließe mich die paar Vasen einfach so gegen Entgelt unter die Leute bringen und meinen Lebensunterhalt damit verdienen?«
    »Das würde problematisch, wenn’s in die Millionen ginge.« Alan hatte vollkommen vergessen, dass er nicht diskutieren wollte. Unbewusst spielte er mit dem Ring, der an Shelbys kleinem Finger steckte. »Nicht jeder Einzelhändler würde sich an faire Geschäftsgrundlagen halten, niemand wäre bereit, Steuern zu zahlen. Und schließlich hätte der ehrliche Kaufmann dabei das Nachsehen, denn er wäre genauso ungeschützt wie jeder Verbraucher.«
    »Es ist schwer verständlich, dass die Basis für all diese Dinge meine dreifach einzureichenden Steuererklärungen sind.«
    Die Berührung seiner Hände war keineswegs unangenehm, lenkte jedoch kolossal ab, und sein Lächeln noch mehr. Nie in ihrem Leben hatte Shelby bei einem Mann ein so unwiderstehliches Lächeln gesehen.
    »Es wird immer eine Überschneidung zwischen Bürokratie und Notwendigkeit bestehen.« Alan hörte erstaunt seiner eigenen Stimme zu. Was, zum Teufel, sollte das? Warum unterhielt er sich in dieser schönen Frühlingsnacht über so trockene Themen mit einem Mädchen, das einem Märchenwesen glich und einen aufreizenden Duft verbreitete?
    »Das Beste an den Gesetzen ist, dass man unzählige Möglichkeiten hat, sich drum herumzuschlängeln«, erklärte Shelby und lachte verhalten. »Wahrscheinlich ist das nun wieder Ihre Existenzgrundlage.«
    Durch das geöffnete Fenster drang die kühle, autoritäre Stimme eines Mannes: »Mag sein, dass Nadonley seinen Finger genau am Puls der amerikanisch-israelischen Beziehungen hat, aber mit dieser Politik macht er sich keine Freunde.«
    »Seine mittelmäßige, nachlässige Kleidung wirkt auch etwas merkwürdig«, entgegnete ein anderer.
    »Typisch«, sagte Shelby leise und verzog ihren Mund. »Wie doch auf Äußerlichkeiten geachtet wird, vielleicht mehr als auf die erbrachte Leistung. Dunkler Anzug und weißes Hemd – man ist ein Konservativer. Legerer Look und Kaschmirpullover
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