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Ärger mit dem Borstenvieh

Ärger mit dem Borstenvieh

Titel: Ärger mit dem Borstenvieh
Autoren: Holgate John
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sonntäglich gekleidete ältere Schwestern mit geschminkten Lippen, die verstohlen versuchten, den Blick von jemandes anderen älterem Bruder zu erhaschen, und dann keusch die Lider senkten, wenn sie erfolgreich waren.
    Die Hauptlehrerin, eine ältliche unverheiratete Frau, klopfte mit ihrer Stricknadel, die hier als Dirigentenstock dienen mußte, gegen ihr Pult; die andere Hälfte des Lehrkörpers, ein zweiundzwanzigjähriges junges Mädchen, konzentrierte sich am Klavier, worauf der Chor zu einem schallenden >The Holly and the Ivy< ansetzte, was die Fensterscheiben klirren ließ.

    Unser Pärchen tat sich dabei prächtig hervor. Unser geduldiges Aushalten und ihr ständiges Üben machten sich bezahlt. Vicky sang die Stellen für Solostimme des Schlußliedes, >Herbei, oh, ihr Gläubigem, mit ihrer süßen, reinen Stimme; und Nicholas, so unbefangen wie immer, sang noch lauter als im letzten Jahr — durch das Herumtollen auf den hügeligen Weiden der Egerton Farm waren seine Lungen sehr viel stärker geworden.
    Als es vorbei war und sie sich für den Applaus bedankt hatten, konnte das Schmausen beginnen. Wie die Heuschrecken fiel der Chor darüber her. Im Nu waren Shirleys drei Dutzend Mince-Pies verschwunden. Nicholas’ Kameraden waren sich darüber einig, daß sie eine ausgezeichnete Köchin war und forderten ihn auf, von dem zu probieren, was ihre eigenen Familien mitgebracht hatten. Als wir schließlich aufbrachen, hatte er sich so vollgefuttert, daß ihm die Augen beinah hervortraten.

    Was das Wetter betraf, so machte dies keine Konzessionen während der festlichen Zeit. Es war bitter kalt draußen, aber trocken, was die Temperatur leichter erträglich machte. Der Boden war so hartgefroren, daß er das Gewicht der Kühe hielt, ohne nachzugeben. An den meisten Morgen ließen wir sie nach dem Melken hinaus. Sie liefen ein wenig umher, zupften an dem toten Gras und ließen den Reif darauf durch ihren warmen Atem schmelzen, den sie aus weitgeöffneten Nüstern ausstießen. Wenn es zu dämmern begann, holten wir sie wieder herein; sie hinterließen rautenförmige Flecken auf den mit leichtem Schnee bedeckten Weiden, wo sie vorher gelegen hatten.
    Die Schafe auf den unteren Wiesen kamen eilig zu den hölzernen Trögen gerannt und stürzten sich gierig auf die magere Ration, die wir ihnen als Futter brachten. Für jedes Tier fielen nicht mehr als zwei Mäuler voll dabei ab, aber es half ihnen, das schlimmste Wetter zu überstehen. In den langen, tragbaren Futterraufen lag zwar Heu bereit, aber sie zogen das Gras vor, das sie unter dem Schnee mit ihren Vorderhufen freikratzten.
    Die jungen Rinder hatten wir auch noch draußen. Ferdinand, das rostrote Kalb, Taffy, sein Freund mit dem schwarzen Fell und sechs weitere Stierkälber sollten den Winter im Freien verbringen, es sei denn, das Wetter würde unzumutbar werden. Dickes warmes Fell war ihnen inzwischen gewachsen, und durch ihre ausreichende Fettschicht konnten ihnen die Elemente nichts anhaben. Wir streuten Heu in eine völlig freistehende Raufe, an die sie von allen vier Seiten herankommen konnten; sie aber zogen es vor, nur zwei Futterstellen davon zu benutzen, so schubsten und drängelten sie sich wie unbändige Schuljungen.
    Ein Eimer voll pro Tag war ihre Ration an Futterkonzentrat. Es genügte bereits, uns damit ankommen zu sehen, um in wilder Jagd auf uns zuzustürzen. Und da sie nicht mit Bremsen ausgerüstet waren und nicht immer dann bremsen konnten, wenn sie es beabsichtigten, bestand tatsächlich akute Gefahr, von ihnen niedergerannt und zertrampelt zu werden.
    Wir lernten sehr rasch, das Futter schnellstens hinzuschütten und wieder fortzugehen. Denn wenn man zögerte, riskierte man, von ihnen bedrängt zu werden, sobald der Trog leer war. Sie stoben heran und versuchten den Kopf in den Eimer zu tauchen, überzeugt, daß darin noch Futter enthalten sei. Da sie ungefähr sechs Zentner wogen, genügte oft bereits ein liebevoller Stups, um einen Menschen aufs Kreuz zu legen, was tatsächlich des öfteren vorgekommen ist.
    Alle Leute waren jetzt damit beschäftigt, einen Anteil am Weihnachtsgeschäft zu haben. Viele der Bauersfrauen zogen Geflügel groß: sie kauften im Juli Eintagesküken und verkauften sie dann fett und ofenfertig für das Weihnachtsessen.
    Meine Missus hatte sich daran nicht beteiligt; vielmehr stolzierte unser Weihnachtsbraten, ein hübscher Puter, draußen auf dem Viehhof zwischen den Hühnern herum, die er ankollerte und
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