Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aerger im Bellona-Club

Aerger im Bellona-Club

Titel: Aerger im Bellona-Club
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
beginnt schon wieder abzuklingen.« Zur Demonstration bewegte er das linke Bein des Toten; es baumelte lose am Kniegelenk. »Ich hatte schon damit gerechnet. Herz sehr schwach. Konnte jeden Augenblick passieren. Hat jemand heute mit ihm gesprochen?«
    Er blickte fragend in die Runde.
    »Ich habe ihn nach dem Lunch hier gesehen«, ließ jemand sich vernehmen. »Aber gesprochen habe ich nicht mit ihm.«
    »Ich dachte, er schliefe«, sagte ein anderer.
    Niemand konnte sich erinnern, mit ihm gesprochen zu haben. Sie waren es so gewohnt, daß General Fentiman vor dem Kamin schlummerte.
    »Na schön«, sagte der Arzt. »Wieviel Uhr ist es? Sieben?« Er schien rasch ein paar Berechnungen anzustellen. »Sagen wir, fünf Stunden bis zum Einsetzen der Leichenstarre – muß ziemlich schnell gegangen sein – wahrscheinlich ist er um die gewohnte Zeit hierhergekommen, hat sich hingesetzt und ist auf der Stelle gestorben.«
    »Er ist immer von der Dover Street aus zu Fuß gekommen«, mischte ein älterer Mann sich ein. »Ich habe ihm schon gesagt, daß die Anstrengung in seinem Alter zu groß ist. Sie haben gehört, wie ich das gesagt habe, Ormsby.«
    »O ja, durchaus«, sagte der puterrote Ormsby. »Du lieber Gott. Einfach so.«
    »Na ja, da kann man nichts machen«, sagte der Arzt. »Im Schlaf gestorben. Gibt es hier ein leeres Zimmer, in das wir ihn legen können, Culyer?«
    »Ja, natürlich«, sagte der Clubmanager. »James, holen Sie den Schlüssel zu Nummer sechzehn aus meinem Büro und sagen Sie Bescheid, man soll das Bett in Ordnung bringen. Ich nehme an – nicht wahr, Doktor? – wenn die Leichenstarre abklingt, werden wir ihn auch – äh – richtig –«
    »Ja, ja, Sie werden alles Erforderliche tun können. Ich schicke Ihnen die richtigen Leute, die ihn für Sie aufbahren. Jetzt sollte wohl jemand seine Familie benachrichtigen – aber von denen kommt besser keiner hierher, bevor wir ihn etwas präsentabler machen können.«
    »Hauptmann Fentiman weiß es schon«, sagte Oberst Marchbanks. »Und Major Fentiman wohnt im Club – er dürfte bald hier sein. Dann hatte er, glaube ich, noch eine Schwester.«
    »Ja, die alte Lady Dormer«, sagte Penberthy, »sie wohnt am Portman Square. Sie haben seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen. Trotzdem wird sie's erfahren müssen.«
    »Ich rufe sie an«, sagte der Oberst. »Hauptmann Fentiman können wir das nicht zumuten, er ist nicht in der Verfassung für so etwas, der arme Kerl. Sie werden ihn sich mal kurz ansehen müssen, Doktor, wenn Sie hier fertig sind. Wieder einer seiner alten Anfälle – die Nerven, Sie wissen schon.«
    »Gut. Ah, ist das Zimmer fertig, Culyer? Dann tragen wir ihn da mal rein. Könnte ihn jemand an den Schultern nehmen? Nein, nicht Sie, Culyer« (denn der Clubmanager hatte nur noch einen gesunden Arm), »Lord Peter, ja danke – vorsichtig anheben.«
    Wimsey schob seine kräftigen Hände unter die steifen Arme; der Arzt nahm die Beine; sie gingen. Sie sahen aus wie eine makabere kleine Guy Fawkes-Prozession, die verkrümmte, würdelos schaukelnde und baumelnde kleine Gestalt zwischen sich.
    Die Tür ging hinter ihnen zu, und die Anspannung schien sich zu verflüchtigen. Der Zuschauerkreis löste sich in Grüppchen auf. Jemand zündete sich eine Zigarette an. Gevatter Tod, der Welttyrann, hatte ihnen für einen kurzen Augenblick den grauen Spiegel vorgehalten und sie die Zukunft sehen lassen. Aber jetzt war er wieder fort. Die Peinlichkeit war beseitigt. Es war wirklich ein Glück, daß Penberthy der Hausarzt des alten Mannes gewesen war. Er wußte alles über ihn. Er konnte den Totenschein ausstellen. Keine gerichtliche Untersuchung. Nichts Unerfreuliches. Die Mitglieder des Bellona-Clubs konnten zum Essen gehen.
    Oberst Marchbanks ging auf die hintere Tür zu, die zur Bibliothek führte. In dem kleinen Vorzimmer zwischen den beiden Räumen befand sich eine bequeme kleine Telefonzelle für solche Mitglieder, die sich nicht in die Halböffentlichkeit der Eingangshalle begeben mochten.
    »Halt, Oberst, nicht der da! Der Apparat ist außer Betrieb«, rief ein Mann namens Wetheridge, der ihn gehen sah. »Eine Schande nenne ich das! Den ganzen Morgen hab ich schon telefonieren wollen und – oh! Nanu! Das Schild ist ja weg! Dann wird es wohl wieder in Ordnung sein. Das könnten die einem aber auch sagen.«
    Oberst Marchbanks kümmerte sich nicht weiter um Wetheridge. Er war der Nörgler des Clubs, ein Mann, der selbst in dieser Gesellschaft der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher