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Aerger im Bellona-Club

Aerger im Bellona-Club

Titel: Aerger im Bellona-Club
Autoren: Dorothy L. Sayers
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rauswerfen, wenn ich es nur laut dächte.«
    »Schon dafür, daß Sie etwas laut sagen, würden Sie rausfliegen, egal was Sie sagen«, meinte Fentiman düster. »Aber was machen Sie nun eigentlich hier?«
    »Ich warte auf Oberst Marchbanks. Zum Wohl.«
    »Sind Sie mit ihm zum Essen verabredet?«
    »Ja.«
    Fentiman nickte stumm. Er wußte, daß der junge Marchbanks auf Höhe Sechzig gefallen war und der Oberst seitdem die engsten Freunde seines Sohnes am Waffenstillstandstag zu einem informellen Essen einzuladen pflegte.
    »Der alte Marchbanks geht ja noch«, sagte er nach einer Pause. »Ganz netter Kerl.«
    Wimsey stimmte ihm zu. »Und wie geht's Ihnen?« fragte er.
    »Bescheiden wie immer. Magen verkorkst und kein Geld. Wozu soll das alles gut sein, Wimsey? Da geht man hin und kämpft für sein Vaterland, läßt sich die Innereien vergasen, verliert seine Stellung und erwirbt dafür das Recht, einmal im Jahr am Heldendenkmal vorbeizumarschieren und auf jedes Pfund Einkommen vier Shilling Steuern zu bezahlen. Und Sheila nörgelt auch – sie arbeitet sich kaputt, das arme Ding. Ganz schön demütigend für einen Mann, wenn er vom Verdienst seiner Frau leben muß. Aber ich kann doch nichts dafür, Wimsey. Sowie ich mich krank melde, bin ich meine Arbeit wieder los. Geld – vor dem Krieg hätte ich keinen Gedanken daran verschwendet, aber ich schwör's Ihnen, heute würde ich jedes Verbrechen begehen, nur um an genug Geld zu kommen.«
    Fentimans Stimme hatte sich in eine nervöse Erregung gesteigert. Ein schockierter Veteran, bis dahin unsichtbar in einem benachbarten Lehnsessel, reckte den mageren Hals vor wie eine Schildkröte und ließ ein giftiges »Schsch« vernehmen.
    »Na, das täte ich aber nicht«, sagte Wimsey leichthin. »Verbrechen wollen gelernt sein. Selbst ein relativ Schwachsinniger wie ich kommt einem Möchtegern-Moriarty allemal auf die Schliche. Sollten Sie mit dem Gedanken spielen, sich einen falschen Bart anzukleben und einem Millionär den Schädel einzuschlagen, lassen Sie's lieber bleiben. Diese abscheuliche Angewohnheit, Ihre Zigaretten immer bis auf den letzten Millimeter herunterzurauchen, würde Sie immer und überall verraten. Ich brauchte nur mit meiner Lupe und einer Schieblehre zu kommen und zu sagen: >Der Mörder ist mein lieber alter Freund George Fentiman. Verhaftet den Mann!< Sie mögen es nicht glauben, aber ich bin bereit, meinen Allernächsten zu opfern, um mich bei der Polizei lieb Kind zu machen und in die Zeitung zu kommen.«
    Fentiman lachte und drückte den anstößigen Zigarettenstummel im nächststehenden Aschenbecher aus.
    »Mich wundert, daß überhaupt noch jemand mit Ihnen verkehrt«, sagte er. Die Anspannung und Bitterkeit war aus seiner Stimme gewichen, und sie klang jetzt nur mehr amüsiert.
    »Das täte auch keiner«, sagte Wimsey, »wenn sie nicht alle dächten, daß ich viel zu reich bin, um Verstand zu haben. Das ist so, wie wenn man hört, daß der Graf von Soundso in irgendeinem Stück die Hauptrolle spielt. Alle halten es für ausgemacht, daß er ein miserabler Schauspieler ist. Ich verrate Ihnen mal mein Geheimnis. Alle meine kriminalistischen Taten vollbringt ein Double für drei Pfund pro Woche, während ich in die Schlagzeilen komme und im Savoy mit bekannten Journalisten die Zeit totschlage.«
    »Ich finde Sie richtig erfrischend, Wimsey«, sagte Fentiman matt. »Sie sind nicht im mindesten witzig, aber Sie haben so einen offenen Humor, der mich immer an weniger anspruchsvolles Varieté erinnert.«
    »Das ist der Selbstschutz des erstklassigen Geistes gegen den Stärkeren«, sagte Wimsey. »Aber sagen Sie, das mit Sheila tut mir leid. Ich will Sie nicht kränken, alter Freund, aber wie wär's, wenn Sie von mir –«
    »Das ist verdammt nett von Ihnen«, sagte Fentiman, »aber ich mag nicht. Es bestände wirklich nicht die mindeste Aussicht, daß ich es je zurückzahlen könnte, und an dem Punkt bin ich noch nicht angelangt, daß ich –«
    »Da kommt Oberst Marchbanks«, unterbrach ihn Wimsey. »Wir reden ein andermal darüber. Guten Abend, Oberst.«
    »Guten Abend, Peter. Abend, Fentiman. War ein schöner Tag. Nein – nein, keinen Cocktail, danke. Ich bleibe beim Whisky. Tut mir leid, daß ich Sie habe warten lassen, aber ich mußte noch was mit dem armen alten Grainger da oben besprechen. Es geht ihm leider nicht besonders. Unter uns gesagt, Penberthy glaubt nicht, daß er den Winter überlebt. Guter Mann, dieser Penberthy – eigentlich ein Wunder,
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