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Aeon

Aeon

Titel: Aeon
Autoren: Greg Bear
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halben Meter dick und verliert sich im eigenen Fluchtpunkt – jedoch weder in einer Geraden noch in einer Kurve. Sie bewegt sich nicht und steht auch nicht still. Die Oberfläche reflektiert verzerrte Bilder der Umgebung. Berührt man das stumpfe Ende, gleitet die Hand seitlich ab. Ihre raumverkrümmende Kraft scheint innerhalb der Grenzen der 7. Kammer nicht zum Tragen zu kommen, wird jedoch an der Verbundstelle zum Korridor wirksam. Ab dort wird sie umso größer, je weiter man von der Singularität entfernt ist – bis man die Korridorwände erreicht. Weil dadurch der Eindruck entsteht, man werde von den Wänden angezogen, ist der Effekt von »Gewicht«, also Gravitation nicht zu unterscheiden. Aber kann es so etwas tatsächlich geben?
    Ein Stern genügend großer Masse, der den Kernbrennstoff in seinem Inneren aufgebraucht hat, stürzt unter dem Einfluss seiner Schwerkraft immer weiter zusammen und verschwindet schließlich durch den sichtbaren Horizont in eine Singularität, einem Zustand mit unendlich kleinem Volumen und unendlich hoher Dichte . Mitte des 20. Jahrhunderts hielten Wissenschaftler Singularitäten für eine rein theoretische Folge der Symmetrieannahmen, um überhaupt Lösungen der komplizierten Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie zu finden. Ende der 1960er Jahre zeigten jedoch Mathematiker und Physiker wie Roger Penrose und Stephen Hawking, dass Singularitäten der Raumzeit auch im realen Universum auftauchen können: in Schwarzen Löchern . Wo sich ihre Schwerkraft in einem Punkt extrem verdichtet, könnten die Naturgesetze aufgehoben sein. Singularitäten stellen, wie der US-Physiker Paul Davies ausführt, Ränder oder Grenzen des Raums und der Zeit dar. Jenseits davon gibt es buchstäblich nichts : Es sind Orte, an denen physikalische Objekte und Wirkungen in das Universum eintreten oder es verlassen können. Dies wäre eine Möglichkeit, wie der Korridor entstanden und der »Stein« in unser Universum gelangt sein könnte. Allerdings ist die Vorstellung einer Raumregion, aus der jedes beliebige Phänomen ohne Grund auftauchen könnte, sehr verstörend, denn dort bräche auch die rationale Ordnung des Kosmos zusammen. Darum scheint die Entwicklung einer nutzbaren Singularität, wie sie von Bear beschrieben wird, doch extrem unwahrscheinlich.
    Der Korridor
    Dieses erstaunliche Gebilde – von den zukünftigen Menschen auch »der Weg« genannt – wirkt auf uns wohl wie eine 3D-Projektion auf Menschen des Mittelalters: Es ist von Magie nicht mehr zu unterscheiden.
    Der Korridor hat einen Durchmesser von 20 km und scheint unendlich lang zu sein. Alle 436 km befindet sich ein Kreis aus künstlichen Gebilden, vier starre Kuppeln , die frei über weiten Gruben im Boden schweben; jede in gleichmäßigem Abstand zur nächsten. Sie bestehen aus unbekanntem Material , das bis auf die Dichte keinerlei stoffliche Eigenschaften aufweist. Daraus schließt die Protagonistin, dass der gesamte Korridor und alle darin befindlichen Elemente buchstäblich aus dem »Raum« selbst gestaltet sind. Da die Trägheitspufferungsmaschine in der 6. Kammer für die Stabilität sämtlicher Objekte im Asteroiden verantwortlich ist und dazu offenbar selbst den Raum verformt, ist der Korridor im Prinzip ihre erweiterte Anwendung. Bear zieht dafür sowohl die Viele-Welten-Theorie als auch die Quantenmechanik zur Erklärung heran: »Wenn ineinander gepasste Universen irgendwie davon abgehalten werden, einen definitiven Zustand anzunehmen, wird sich aufgrund der ständig entgegengesetzten räumlichen Transformationen eine undurchdringliche Barriere formieren.«
    Die Schalen und der Korridor würden also in unserem dreidimensionalen Sinn nicht wirklich existieren und wären lediglich eine »geformte Häufelung von Wahrscheinlichkeiten«. Ähnlich wie bei Schrödingers Katze in ihrer ungeöffneten Kiste gibt es auch hier keine strikte Trennung von Wahrscheinlichkeitszuständen. Wer sich in der Katzenkiste (sprich: im Korridor) befindet, erlebt eine Art Wechselspiel zwischen Materie und Oberfläche, die ihm festen Raum vorgaukelt, der nicht aus Masse sondern »reiner Geometrie« besteht – geformte Raumzeit , in deren Zentrum sich die oben genannte Singularität bildet. Dies alles würde jedoch nur so lange funktionieren, bis jemand Außenstehendes hineinblickt, also eine Messung vornimmt und damit die quantenphysikalische Unbestimmtheit aufhebt. Eine Bedeutung der alle 436 km befindlichen Gebilde könnte also sein,
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