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Äon

Äon

Titel: Äon
Autoren: Greg Bear
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geraubt und mürbe gemacht und ihn damit in eine Art Persönlichkeitskrise gestoßen hatte. Er sah keine – noch keine -Möglichkeit, klarzukommen mit dem, was er wußte – was er und nur zehn weitere Menschen wußten. Bald käme ein elfter an.
    Und der tat ihm leid.
    Die Gymnastikgrube lag einen halben Kilometer vom Lager des wissenschaftlichen Teams entfernt, auf halber Strecke zwischen dem Lager und dem Stacheldrahtzaun, der die Grenze bildete, die niemand ohne grünes Abzeichen uneskortiert überschreiten durfte.
    Den Talboden bildete eine weiche, sandige Erdschicht, die trocken, aber nicht staubig war. Da und dort wuchsen struppige Grasbüschel aus dem Boden, aber größtenteils war die erste Kammer unfruchtbar.
    Das Lager selbst – eins von zweien in der ersten Kammer – glich einem alten Römerkastell mit einem Erdwall und versiegten Wassergraben rund um die Anlage. Der Wall war versehen mit elektronischen Sensoren, die alle fünf Meter auf Pfählen montiert waren. All diese Vorsichtsmaßnahmen stammten noch aus der Zeit, als es Grund zur Annahme gab, es befänden sich noch Steinbewohner in den Kammern, die eine Bedrohung darstellen könnten. Durch die Macht der Gewohnheit – und weil diese Möglichkeit nach wie vor nicht auszuschließen war – wurden die Maßnahmen beibehalten.
    Lanier überquerte die robuste Holzbrücke, die sich über den Graben spannte, und bestieg die Treppe am Wall, wobei er mit seiner Karte vor einem Lesegerät auf einem Pfahl fuchtelte.
    Er passierte die Unterkünfte für Männer und Frauen und betrat den Verwaltungsbungalow, wo er kurz auf den Schreibtisch von Ann Blakely klopfte und winkend weiterging. Ann war schon seit über einem Jahr seine Sekretärin. Sie drehte sich auf ihrem Stuhl herum und griff nach der Memo-Tafel.
    »Garry…«
    Er schüttelte den Kopf, ohne sie anzusehen, und ging auf der Treppe weiter. »Noch fünf Minuten«, sagte er.
    Im Obergeschoß steckte er seine Karte in das Sicherheitsschloß an seiner Bürotür, drückte die Daumen auf das Plättchen und trat ein. Automatisch ging die Tür hinter ihm zu. Er zog seinen Jogginganzug aus und schlüpfte in den blauen Overall des wissenschaftlichen Teams.
    Das Büro war aufgeräumt, wirkte aber dennoch überfüllt. Den kleinen Schreibtisch aus OTV-Tankwänden flankierten Chromkübel mit Papierrollen. Ein schmales Regal mit echten Büchern hing neben den gestapelten Speicherblöcken hinter den zähen, alarmgesicherten Plastikscheiben. Karten und Pläne klebten an den Wänden.
    Ein großes Fenster gewährte Blick über die Gebäude des Lagers. Im Norden jenseits des öden Talbodens ragte düster die massige, graue Kappe der nächsten Kammer auf.
    Lanier setzte sich auf den superleichten Direktorenstuhl und legte die Füße aufs Fensterbrett. Seine dunklen, von Krähenfüßen betonten Augen waren auf den fernen Punkt gerichtet, wo die Plasmaröhre an die Kappe stieß. Durch das diffuse Licht der Röhre war es schwierig, das hundert Meter weite Bohrloch auszumachen, das durch den Deckel in die nächste Kammer führte. Das Bohrloch lag fünf Kilometer über der Atmosphäre in der Kammer.
    In zwei Minuten wäre seine Freizeit beendet. Er ordnete seine Tafeln und Prozessoren, warf einen Blick auf den Terminplan des Tages und stimmte sich auf seine Arbeit als Triebfeder ein.
    Unter einem Fingernagel war Schmutz. Mit einem Fingernagel der anderen Hand entfernte er ihn.
    Wenn er nur die einfachen Dinge erklären könnte – die Statuette, den Stacheldraht, mit dem der Zaun gezogen war, das Lattenholz, mit dem die Brücke über den Graben gebaut war –, dann würde sich das Puzzle zusammenfügen .
    Der Stein würde sich selber erklären.
    Die einzigen Erklärungen, die er jetzt parat hatte, waren nicht nur unwahrscheinlich, sondern irrsinnig.
    Sein Sprechgerät summte.
    »Ja, Ann.«
    »Jetzt im Dienst, Garry.«
    »Ja.«
    »Übertragung aus dem Loch. OTV-Landeanflug.«
    »Unser Retter?«
    »Vermutlich.«
    Hoffman hatte gesagt, diese junge Frau sei wichtig, und das Wort der Präsidentenberaterin war eins der wenigen Dinge, auf die sich Lanier, wie er glaubte, verlassen konnte. In den vier Jahren seit jenem Partyabend hatte er eine Menge über Politik, wie sie innerhalb und außerhalb der Welthauptstädte praktiziert wurde, und über das Verhalten von Ländern in Krisen gelernt. Er hatte erkannt, daß Hoffman ein ungewöhnlicher Mensch war. Fähig und mit unfehlbarer Intuition.
    Allerdings hatte sie sich bei jener Party in
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