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Adler und Engel (German Edition)

Adler und Engel (German Edition)

Titel: Adler und Engel (German Edition)
Autoren: Juli Zeh
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teuer.
    Deshalb die Wohnungsdurchsuchung, sage ich.
    Ja, sagt er.
    Und deshalb, sage ich, vor allem: Clara.
    Ja, sagt er.
    Und die dritte Möglichkeit?
    Du hast es tatsächlich nicht.
    Und das würde bedeuten?
    Er überlegt und trinkt den Rest aus seiner Flasche.
    Ich bin nicht sicher, sagt er, aber dann müsste Herbert dir möglicherweise deinen Herzenswunsch erfüllen. Du bist wirklich ein bisschen laut und unbequem.
    Gut, sage ich sofort, ich habe es nicht.
    Die untere Hälfte seines Gesichts arbeitet an einem Grinsen, die Lippen spannen sich, werden dünn und weißlich, aber ohne die Beteiligung der Augen kommt nur eine Grimasse dabei heraus. Ausgerechnet jetzt muss mir auch noch auffallen, dass seine Augen denen Jessies gar nicht so unähnlich sind.
    Das glaube ich nicht, sagt er, das ist sehr, sehr unwahrscheinlich.
    Er wischt sich den Mund mit dem Ärmel ab und winkt nach dem nächsten Bier.
    Und was machen wir jetzt, frage ich.
    Seit Jessie tot ist, sagt er, arbeiten wir mit Möglichkeit Nummer zwei.
    Und vorher, frage ich.
    Solange Jessie noch lebte, hatten wir eine Pattsituation. Nichts zu bewegen. Herbert verbot allen, auch nur Kontakt mit ihr aufzunehmen.
    Eine Weile sitzen wir unbeweglich, als wollten wir selbst das Patt illustrieren. Um uns herum plätschert das Auf und Ab des Wiener Dialekts aus vielen Mündern, zwischendurch ein aufspritzendes Lachen. Jetzt nehme ich die Musik dahinter wahr, das ist Claras Lieblingslied, watch me like a game-show, you’re sick and beautiful , ich drehe mich zur Bar um.
    Leg eine andere Platte auf, rufe ich.
    Die Kellnerin gehorcht. Anscheinend haben wir uns zu Special Guests hochgearbeitet.
    Nachdem Plan A gescheitert ist, sagt Ross, tritt jetzt Plan B in Kraft. Ich werde dir erzählen, was wir suchen.
    Und dann komme ich vielleicht darauf, wo es sein könnte?
    Nichts unversucht lassen, sagt er. Immerhin warst du es, der in den letzten zwei Jahren mit Jessie zusammengelebt hat. Und dann, in Gottes Namen, wenn du es weißt, nennst du deinen Preis.
    So oder so, sage ich, meinen Preis kennst du schon.
    Du bist wirklich ein Idiot geworden, sagt er. Oder ein hervorragender Pokerspieler. Hast auch lange genug bei Rufus gearbeitet. Da reicht es dann wahrscheinlich für beides.
    Nur du verstehst mich wirklich, sage ich. Leg jetzt los.
    Er lehnt sich zurück.
    Es geht um eine Nummer, sagt er, vierzehn Stellen.
    Anscheinend zeigt meine Miene nicht die erhoffte Reaktion, vielleicht hätte ich mir auf den Schenkel hauen und rufen sollen: Ach eine Nummer, sag das doch gleich. Er lauert noch eine Weile und gibt auf.
    Okay, sagt er, die Geschichte beginnt im Jahr 1997. Du erinnerst dich, in Albanien brechen die Banken zusammen. Die Leute verlieren ihr Geld und es gibt einen Riesenaufstand.
    Er hebt zum Beweis seine Krallenhand.
    Das weiß ich alles, sage ich. Ich hatte mal beruflich in diesem Bereich zu tun.
    Schon klar, sagt er, aber du musst dir das im Zusammenhang anhören. Jessie hat dir anscheinend nicht viel erzählt.
    Ich schüttele den Kopf, nein, hat sie anscheinend nicht.
    Sie war eben doch ein echter Profi, sagt er.
    Es klingt wie das höchste Kompliment, das er für einen geliebten Menschen bereithält. Ich reibe mir mit dem Saum meines Hemds den Schweiß vom Gesicht.
    Danach ging über den Balkan nichts mehr für uns, sagt Ross. Die Südoststraße war immer eine der lukrativsten Routen gewesen, eine wahre Schlossallee. Aber jetzt kam einiges zusammen. Die Mafia hatte ihr Geld aus Albanien rausgezogen, es begannen die Umverteilungsmaßnahmen. Häfen und Flugplätze wurden von den multinationalen Schutztruppen verstopft. Und einige unserer Partner suchte man auf internationalen Haftbefehl.
    Arkan der Säuberer, sage ich, ihr kennt ihn also wirklich.
    Jessie hat nie Scheiße erzählt, sagt er, das müsstest du wissen.
    Aber ihr habt doch von den Balkankonflikten gerade profitiert, sage ich, und die Anklage gegen Arkan hätte Rufus vielleicht verhindern können.
    Er zuckt mit den Achseln.
    Ich mache die Logistik, sagt er. Die Entscheidung, wann eine Sache sich nicht mehr lohnt und wie es weiterläuft, liegt bei Herbert. Und bei Rufus. Und hätte irgendwann vielleicht bei dir gelegen.
    Ein paar glitzernde Punkte schwirren vor meinen Augen herum, als hätte jemand eine Dose Diskoflitter in die Luft geworfen.
    Man muss ja nur rechtzeitig wissen, sage ich, wo es als Nächstes knallt.
    Rufus hat sich für Polen entschieden, sagt Ross. Und wenn ich mir den NATO-Krieg im Kosovo
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