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Adieu (German Edition)

Adieu (German Edition)

Titel: Adieu (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Soldaten, etliche Offiziere, denen die Verhältnisse alle ihre Energie wiedergaben, fanden sich neben ihnen ein. Diese ziemlich zahlreiche Gruppe umfaßte ungefähr fünfzig Menschen. Der Major bemerkte in einer Entfernung von zweihundert Schritt die Ruinen der Brücke, die für die Wagen hergestellt, aber vorher zusammengebrochen war.
    »Zimmern wir uns ein Floß zusammen!« rief er.
    Kaum hatte er dieses Wort fallen lassen, als die ganze Gruppe auf die Trümmer zulief. Eine Menge Menschen schickte sich an, Eisenstäbe aufzusammeln, Holzstücke, Seile aufzusuchen, kurz alles für den Bau eines Flosses notwendige Material. Eine Truppe von zwanzig Soldaten und Offizieren bildeten eine von dem Major befehligte Garde, um die Arbeiter gegen die verzweifelten Angriffe zu schützen, die die Masse vollführen könnte, wenn sie ihren Plan erriet. Das Gefühl der Freiheit, das die Gefangenen beseelt und ihnen Wunder einflößt, kann mit dem nicht verglichen werden, das in diesem Augenblick die unglücklichen Franzosen handeln ließ.
    »Da sind die Russen! Da sind die Russen!« schrieen den Arbeitern ihre Verteidiger zu.
    Das Holz kreischte, die Bohlen wuchsen in die Breite, Höhe und Tiefe. Generale, Soldaten, Obersten, alles bog sich unter dem Gewicht der Räder, der Eisen, der Bretter: es war ein wahrhaftes Bild des Baues der Arche Noah. Die junge Gräfin saß neben ihrem Manne und sah mit Bedauern zu, weil sie an der Arbeit nichts mittun konnte; trotzdem half sie, Knoten zu knüpfen, um die Seile fester zu machen. Endlich war das Floß fertig. Vierzig Menschen stürzten sich ins Wasser des Flusses, während ein Dutzend Soldaten die Seile hielten, die dazu dienen sollten, an dem Abhang festzuhalten. Kaum aber sahen die Erbauer ihre Einschiffung auf der Beresina sich vollziehen, so stürzten sie sich von dem Ufer oben hinab mit äußerster Selbstsucht. Der Major, der die Wut des ersten Ansturms befürchtete, hielt Stephanie und den General an der Hand fest; aber er erbebte, als er die dunkle Masse sich einschiffen sah und die darauf zusammengepreßten Menschen erblickte, wie Zuschauer im Parterre eines Theaters.
    ›Ihr Wilden!‹ rief er, ›ich habe euch doch den Gedanken eingegeben, ein Floß zu erbauen; ich bin euer Retter, und ihr verweigert mir meinen Platz!‹
    Ein verworrener Lärm war die Antwort. Die am Rande des Flosses untergebrachten und mit Stäben zum Abstoßen vom Abhang versehenen Männer stießen mit Gewalt den Holzzug vorwärts, um ihn an das andere Ufer zu drängen und ihn die Eisschollen und Leichname durchschneiden zu lassen.
    ›Zum Donnerwetter nochmal! Ich renne euch ins Wasser, wenn ihr den Major und seine beiden Gefährten nicht richtig aufnehmt!‹ schrie der Grenadier, erhob seinen Säbel, verhinderte ihren Aufbruch und ließ sie zusammenrücken trotz der schrecklichen Schreie.
    ›Ich werde fallen! Ich falle!‹ schrieen seine Gefährten. ›Immer weiter vorwärts.‹
    Der Major betrachtete trockenen Auges seine Geliebte, die ihre Augen zum Himmel mit erhabener Ergebung aufhob.
    »Mit dir zusammen sterben!« sagte sie.
    Es lag etwas Komisches in der Haltung der Leute auf dem Floß. Obgleich sie ein schauderhaftes Gebrüll ausstießen, wagte doch keiner dem Grenadier Widerstand zu leisten; denn sie waren so zusammengedrängt, daß eine einzige Person nur zu stoßen brauchte, um alles umzustürzen. In dieser Gefahr versuchte ein Hauptmann sich von einem Soldaten zu befreien, der die feindliche Bewegung des Offiziers wahrnahm, ihn anpackte und ihn ins Wasser stürzte mit den Worten: »Ach, du Ente, du willst trinken! Na dann los!«
    »Hier sind zwei Plätze frei!« rief er dann. »Vorwärts, Major, werfen Sie uns Ihre kleine Frau herüber und kommen Sie selbst mit! Lassen Sie doch den alten Mops zurück, der wird ja morgen doch sterben!« »Beeilt euch!« schrie eine Stimme, die sich aus hundert zusammensetzte.
    »Vorwärts, Major ... Die andern schimpfen, und sie haben recht.«
    Der Graf von Vandières entledigte sich seiner Umkleidung und stand aufrecht in seiner Generalsuniform. »Retten wir den Grafen«, sagte Philipp.
    Stephanie drückte ihrem Freunde die Hand, warf sich über ihn und umarmte ihn mit wildem Druck.
    »Adieu!« sagte sie.
    Sie hatten sich verstanden. Der Graf von Vandières fand seine Kräfte und seine Geistesgegenwart wieder, um zur Einschiffung hinunterzuspringen, wohin Stephanie ihm folgte, nachdem sie einen letzten Blick auf Philipp geworfen hatte.
    »Major, wollen Sie
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