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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
Autoren: P. D. James
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meine Tat zu begründen, aber falls es irgendwen interessiert, es ist ganz einfach so, daß ich ein rasches Ende dem Fortbestand dieses freudlosen Daseins vorziehe; meines Erachtens eine vernünftige Wahl und eine, die zu treffen uns allen freisteht.‹ Na, das ist eindeutig«, sagte er, »und noch dazu handgeschrieben. Wie hat sie’s denn angestellt?«
    »Mit Tabletten und Alkohol. Es sieht nicht sehr wüst aus, wie gesagt.«
    »Hast du schon die Polizei verständigt?«
    »Die Polizei? Dazu hatte ich noch gar keine Zeit. Ich bin ja gleich zu dir gekommen. Aber ist das denn wirklich nötig, Gerard? Selbstmord ist doch kein Verbrechen. Könnten wir nicht einfach Dr. Frobisher anrufen?«
    Er sagte kurz angebunden: »Ich weiß nicht, ob es nötig ist, aber es ist auf jeden Fall ratsam. An diesem Tod darf nichts fragwürdig erscheinen.«
    »Fragwürdig?« wiederholte sie. »Wer sollte denn daran etwas fragwürdig finden?«
    Unwillkürlich hatten sie die Stimmen gesenkt, und nun flüsterten sie fast nur noch. Trotzdem strebten sie instinktiv von der Trennwand weg zum Fenster.
    »Nenn es meinetwegen Tratsch«, sagte er, »Gerüchte, einen Skandal. Wir können die Polizei direkt von hier aus anrufen. Nicht nötig, das Gespräch über die Zentrale laufen zu lassen. Wenn man sie im Aufzug runterbringt, können wir sie womöglich aus dem Haus schaffen, bevor das Personal mitkriegt, was passiert ist. An George kommen wir natürlich nicht vorbei. Wahrscheinlich ist es sogar das beste, die Polizei bei ihm an der Pforte reinzulassen. Man muß George eben einschärfen, daß er den Mund hält. Wo ist die Kleine von der Agentur jetzt?«
    »Hab’ ich dir doch schon gesagt. Sie macht nebenan bei Blackie ihre Diktatprüfung.«
    »Ich könnte mir eher vorstellen, daß sie Blackie und jedem, der sonst noch drüben reinschaut, brühwarm erzählt, wie sie nach oben geführt wurde, um ein Tonband zu holen, und dabei über eine Leiche gestolpert ist.«
    »Ich habe beide zum Stillschweigen verpflichtet, bis wir das gesamte Personal unterrichtet haben. Aber wenn du glaubst, du könntest die Geschichte auch nur für ein paar Stunden geheimhalten, Gerard, dann irrst du dich gewaltig. Es wird eine gerichtliche Untersuchung geben, und das bedeutet Publicity. Außerdem muß man sie über die Treppe runterschaffen. Ein Leichensack auf einer Bahre paßt auf gar keinen Fall in den Aufzug. Das hat uns weiß Gott gerade noch gefehlt! Zusammen mit der anderen Geschichte wird sich das ganz fabelhaft auf unser Betriebsklima auswirken.«
    Einen Moment herrschte Schweigen. Weder er noch sie machten Anstalten, zum Telefon zu gehen; dann schaute sie ihn an und fragte: »Als du sie entlassen hast, letzten Mittwoch, wie hat sie’s da aufgenommen?«
    »Sie hat sich jedenfalls nicht umgebracht, weil ich ihr gekündigt habe. Sie hatte genug gesunden Menschenverstand, um zu wissen, daß sie gehen mußte. Seit dem Tag, an dem ich die Geschäftsleitung übernahm, muß sie das gewußt haben. Ich habe von Anfang an keinen Hehl daraus gemacht, daß wir nach meiner Ansicht einen Lektor zu viel beschäftigen und daß ich die überschüssige Arbeit außer Haus geben möchte, an einen freien Mitarbeiter.«
    »Aber sie war dreiundfünfzig. Es wäre nicht leicht für sie gewesen, woanders unterzukommen. Und sie ist immerhin seit vierundzwanzig Jahren bei uns.«
    »Als Teilzeitkraft.«
    »Laut Vertrag ja, aber gearbeitet hat sie praktisch ganztags. Der Verlag war ihr Leben.«
    »Claudia, das ist doch sentimentaler Quatsch. Sie hatte sehr wohl ein Leben außerhalb dieses Hauses. Und was tut das überhaupt zur Sache, verdammt noch mal? Entweder sie wurde hier gebraucht oder nicht.«
    »Und mit dem Argument hast du’s ihr beigebracht? Daß sie nicht mehr gebraucht würde?«
    »Ich war nicht brutal, wenn du das meinst. Ich habe ihr gesagt, daß ich einen Teil des Sachbuchlektorats einem freien Mitarbeiter übertragen möchte und daß ihre Stelle damit wegfallen würde. Aber ich habe ihr auch gesagt, daß wir, wenngleich sie rein rechtlich keinen Anspruch auf eine volle Abfindung hatte, finanziell bestimmt eine zufriedenstellende Regelung finden würden.«
    »Eine finanzielle Regelung? Und was hat sie dazu gesagt?«
    »Daß das nicht nötig wäre. Weil sie selbst eine Regelung treffen würde.«
    »Was sie dann ja auch getan hat. Und zwar anscheinend mit Distalgesic und einer Flasche bulgarischem Rotwein. Na, wenigstens hat sie uns Geld erspart, aber ich hätte bei Gott lieber
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