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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale
Autoren: Christian Foersch
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das Klatschen bis zum Haus hören. Er ließ sie neben seinen Fuß fallen und schob sie unter einen Klumpen Mist.
    » Mani sù! «, schrie ein Mann mit dem eckigen Akzent der Deutschen. Hände hoch! Aroldo ließ den Urin einfach in weitem Bogen weiterlaufen.
    Ein Tritt traf ihn in die Kniekehlen, und er fiel auf den Rücken. Der Soldat zerrte ihn am Kragen hoch. Er war blutjung. Mit seiner Maschinenpistole dirigierte er Aroldo zum Haus. Manchmal lächelte er schief. Wollte er freundlich sein? Er hatte ihn nicht einmal nach Waffen durchsucht, achtete auf den Matsch, statt auf Aroldo. Aroldo hatte sein Schnitzmesser im Gürtel stecken. Er musste die Halsschlagader treffen. Aber wenn er den Deutschen erstach, dann waren die Kameraden geliefert. Vorausgesetzt, sie lebten noch.
    Aroldo wollte nicht glauben, dass sich innerhalb weniger Stunden die Euphorie in ein solches Desaster verkehren konnte. Und schuld waren nur die Amerikaner! Sie hatten die Deutschen durch den ganzen Stiefel gejagt, bis an die Gotenlinie. Auf dem Apennin, nur fünfzig Kilometer entfernt. Und dann war plötzlich Schluss gewesen. Die Deutschen hatten das soundsovielte Wunder geschafft.Weil die Amerikaner sie gewähren ließen. Weil der amerikanische General Alexander im November verkündet hatte: »Bei dem Wetter kann man keinen Krieg führen. Wir sehen uns im Frühling wieder.« Die Deutschen hatten sich eingegraben und hatten auch diesem brutalen Winter getrotzt. Sie schienen längst geschlagen, aber nach fünf Jahren Krieg waren sie gegen Schläge und Kälte unempfindlich geworden, während die britischen L KW von den vereisten Feldwegen schlitterten und das Schmierfett an den Panzerfahrzeugen hart wurde. Während die Treibstofftanks der Amerikaner platzten und die indischen Einheiten von Lungenentzündung und Ruhr dezimiert wurden.
    Damit hatten die Deutschen Zeit, um das Hinterland zu durchkämmen. Auf Partisanenjagd zu gehen. Die Partisanen wussten ohnehin nicht, wie sie den Winter überstehen sollten. Hungrig waren sie in die Städte geflüchtet, auf der Suche nach Brot und Wolle. Manche hatten sich auf Dachböden versteckt. Wer nicht steckbrieflich gesucht wurde, war einfach wieder arbeiten gegangen, hatte weiter Gewehrläufe für die deutschen Besatzer gezogen und Kugeln gegossen, die sich in den Kopf ihrer Kameraden bohren würden. Manche hingen im Morgengrauen an einer Straßenlaterne, um den Hals eine Schlinge aus Stacheldraht und ein Schild, auf das die Deutschen, auf Deutsch und Italienisch, »Verräter« geschrieben hatten.
    Die Tür führte direkt in die Stube. Rechts der Herd, auf dem ein großer dampfender Topf stand. Es duftete nach Hühnerbrühe. Man hatte sieben Stühle im Halbkreis aufgestellt. Darauf die Bauersleute, der Junge und Aroldos Kameraden. Mit ihren eigenen Schnürsenkeln gefesselt, aber unverletzt. Zwei Soldaten zielten mit Maschinenpistolen auf die Gefangenen, ein Offizier stellte in einem gepflegten Italienisch Fragen. Gott sei Dank keine S S , dachte Aroldo. Große Funkgeräte, ein paar Akkumulatoren, eine Fernmeldeeinheit.
    »Wer sind Sie?«, fragte der Offizier den Bauern, der mit müder Stimme seinen Namen wiederholte und erzählte, wie lange er schon den Hof bewirtschaftete. Er musste diese Sätze schon die ganze Nacht aufgesagt haben.
    »Und das?« Der Offizier deutete auf die Frau, während man einen achten Stuhl für Aroldo in den Halbkreis stellte.
    »Meine Frau, Fiamma.«
    »Und das?«
    »Mein Sohn Stefano.«
    »Und das?« Er deutete auf Lorenzo, den jüngsten der Kameraden.
    »Ein Knecht.«
    »Und das?« Er deutete auf den nächsten.
    »Ein Knecht.«
    »Und das?«
    So ging es reihum, immer wieder, ein ums andere Mal.
    Die spinnen, die Deutschen, dachte Aroldo, während der Offizier in seinem gelehrten Italienisch davon redete, dass es eine Schande für so eine große Kulturnation wie Italien sei, dass sie den Stahlpakt gebrochen habe, das gegebene Wort. Dass das Deutsche Reich nicht Krieg führe, um Tod und Verderben zu bringen, sondern eine höhere Idee von Volkstum und Ehre.
    Aroldo spürte auf seiner Wange den flehenden Blick Stefanos. Aroldo drehte sich zu ihm, lächelte ihn an und sagte: »Mach dir keine Sorgen, wir sind nur einfache Bauern. Die Deutschen werden das feststellen.«
    Der Offizier steckte sich eine Zigarette an und formulierte wieder seine Fragen. Immer dieselben.
    »Wie viel Hektar Land bewirtschaften Sie?«
    »Zehn.«
    »Fünf Knechte für zehn Hektar Land? Sind Sie
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