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Achtung Kurven

Achtung Kurven

Titel: Achtung Kurven
Autoren: Horst Biernath
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Rauchwolke zur Decke empor.
    »Zwei Autos — und das wäre dann alles«, antwortete Oskar Zauner und lockerte sich den Kragen, denn der Schweiß strömte ihm hinter den Ohren in den Hals hinein.
    » Zaunerchen «, sagte der Anwalt fast stimmlos, als spräche er kurz vor seinem letzten Seufzer mit dem letzten Rest von Atemluft, »wenn es zu einem Urteil gegen Sie kommt und wenn Ihre Versicherung sich wegen der verdammten 1,2 Promille zu zahlen weigert — und wie ich die Brüder kenne, werden sie Ihnen Schwierigkeiten machen —, dann blechen Sie aus der eigenen Tasche, bis Ihnen die Augen übergehen.«
    »Das Urteil gegen mich ist aber noch nicht gesprochen, Herr Dr. Schlüter!« sagte Oskar Zauner erregt, »und wenn Sie selber schon so reden, als ob ich verurteilt sei, dann...«
    »Halt, halt!« fiel ihm der Anwalt ins Wort, »bevor Sie mir den Laufpaß geben, hören Sie mich noch eine Minute lang ruhig an. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die die Flinte voreilig ins Korn werfen. Und ich tue es auch in Ihrem Fall nicht. Aber es sieht, lassen Sie mich das überdeutlich sagen, so besch ... aus, daß ich es für dringend notwendig halte, einen ganz erstklassigen Mann hinzuzuziehen. Ich meine den Justizrat Meichsner . Wenn es einen Juristen gibt, der Sie aus diesem üblen Schlamassel halbwegs heil« — und er rieb den Daumen gegen den Zeigefinger — »herauspauken kann, dann ist er es.«
    Der Justizrat, eine über seinen engeren Wirkungskreis bekannte Persönlichkeit, war der Verfasser dickleibiger Kompendien über das Verkehrsrecht und außerdem ein brillanter Redner, dem man nachsagte, daß er mit seiner Beredsamkeit, wenn gar nichts mehr half, wenigstens noch den Strick zu Tränen rührte, der um den Hals des Delinquenten gelegt war.
    »Und die Kosten?« fragte Oskar Zauner erblassend, denn der Justizrat war auch für seine saftigen Honorare bekannt. Ihm war speiübel zumute, und für einen Moment begann sich das Zimmer um ihn zu drehen.
    »Danach würde ich an Ihrer Stelle nicht fragen, mein Lieber. Denn wenn Sie den Justizrat nicht nehmen, kann die Geschichte für Sie bedeutend teurer werden.« Er begleitete Oskar Zauner bis zur Tür des Warteraumes, eine ungewöhnliche Höflichkeit, die in diesem Fall einer Art von Kranzspende mit anschließendem Ehrengeleit zum Friedhof gleichkam. Zum Glück ahnte Oskar Zauner davon nichts. An der Tür hielt ihn der Anwalt noch für einen Moment zurück.
    »Was ich noch sagen wollte, Herr Zauner, wie wird das bei Ihnen nun geschäftlich weitergehen? Von irgend etwas muß der Schornstein ja schließlich rauchen. Besitzt Ihre Frau einen Führerschein?«
    »Leider nicht. Seit Jahren wollte sie ihn erwerben. Aber wie das so geht, mit den Kindern und so...«
    »Dann würde ich Ihnen aber dringend raten, Ihre Frau per Expreß in einen Fahrkurs zu schicken.«
    So kam es, daß sich Frau Zauner in der Fahrschule Bauersfeld angemeldet hatte und von der Chefin dem Fahrlehrer Herold zugeteilt worden war. Sie stellte sich recht geschickt an, aber bei der häuslichen Belastung versagten ihre Nerven, und sie fiel bei der ersten Prüfung, der sie sich nach zwanzig Fahrstunden unterzog, leider durch.
    Ihre Geschichte erfuhr Herold nach und nach. Im allgemeinen kümmerte er sich wenig um das Privatleben der Kursteilnehmer. Wahrscheinlich hätte er auch hiervon nichts erfahren, wenn Frau Zauner nach der verunglückten Prüfung nicht eine Art von Nervenzusammenbruch erlitten hätte.
    »Lieber Gott, Frau Zauner«, sagte er schließlich, als das Schluchzen kein Ende nahm, »solch ein Durchfall ist doch noch lange kein Beinbruch!«
    »Haben Sie eine Ahnung! Für mich schon...«
    Und dann hatte sie erzählt. Ihre Geschichte berührte ihn so sehr, daß er sich erbot, einen jungen Mann namens Leupold , der inzwischen die Auslieferung der Ware an die Kunden besorgte, in seinen freien Stunden zu unterstützen. Denn Leupold war ein rechter Windhund, und Oskar Zauner hatte manches auszubügeln, was der Bursche verbockte. Dabei fraß sich Zauner in seinen Prozeß so hinein, daß das Geschäft ihm allmählich gleichgültig wurde.
    Der einzige Lichtblick war, daß die Firma sich großzügig und verständnisvoll zeigte. Zu dem Entgegenkommen trug bei, daß Frau Zauner durch Buchführung und Kundenkorrespondenz mit dem Geschäft so weit vertraut war, daß sie es ohne allzu große Pannen weiterführen konnte und es kaum einen Absatzrückgang gab. Die große Sorge blieb natürlich, wie es weitergehen würde, wenn
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