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Achilles Verse

Achilles Verse

Titel: Achilles Verse
Autoren: Achim Achilles
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und dass ein Balance-Duschbad was mit Meditieren zu tun hat. Mona trinkt grünen Tee.
    Mona wollte auch mal laufen, vorletztes Jahr, mit einer Frauenlaufgruppe, die erstmal eine Stunde herumgestretcht hat, bevor sie einmal um den Ententeich getrabt ist. Ihre Freundin Sybille hat ihr erzählt, sie sei eineinhalb Stunden beim Laufen gewesen. Das hat meine Frau abgeschreckt. Mona kauft jede Zeitung, in der steht, dass man ohne Sport fit wird, so ganz auf sanft. Unsinn.
    Plöpp … plöpp … plöpp. Es regnet nicht mehr. Es pladdert. Ach, du Schreck: meine neuen Schuhe. Der Verkäufer im Ausdauertempel hatte doch sinngemäß etwa gesagt, dass diese neue Hightechfaser so gut wie keinen Regen verträgt, oder? Der Wecker steht auf 10 nach 6. Die Wade schmerzt höllisch. Langsam verschwindet das Plöppen. Sooo müde.

    Dingelingdingding. »Es ist 6 Uhr 30. Sie hören die Nachrichten im Deutschlandradio. Berlin: Die Bundesregierung will ihre Sparpläne …« Meine Handkante fährt über den Nachttisch. Der Wecker fällt leise zu Boden. Er ist auf den Laufklamotten gelandet, die ich gestern Abend schon mal rausgelegt habe. Als Gedächtnisstütze.
    Plöpp … plöpp … plöpp. Wo ist die Schwimmweste? »Leg dich hin«, raunzt Mona aus dem Kopfkissen. »Ich geh laufen«, entgegne ich und huste leise. Wenn Mona mich wirklich liebte, dann würde sie jetzt sagen: »Aber Schatz, bei dem Wetter holst du dir ja eine Lungenentzündung. Geh doch heute Abend oder morgen.« Aber sie sagt nichts. Ich huste noch mal, etwas deutlicher. Sie schnarcht schon wieder. Natürlich schnarcht sie nicht richtig. Aber es klingt so.
    Mit den Laufsachen unterm Arm schlurfe ich ins Wohnzimmer. Karl schläft noch. Er hat erst zur zweiten Stunde. Beim Schuhezubinden zerreißt es mir fast die Wade. Ich setze die Mütze von früher auf. Keine Schrift. Nur ein A, für: Achim, coole Sau. Ich ziehe die Wohnungstür leise ins Schloss. Der Regen peitscht mir auf die Bronchien. Gerade kommt der Zeitungsbote in den Innenhof. Er ist Afrikaner. Ein Laufwunder wahrscheinlich, der es in Kenia nicht bis nach ganz oben geschafft hat. Er guckt mich verwundert an. »Moin«, sage ich, »wir sehen uns jetzt öfter.«

Keine Lust
    Das Problem an jedem Motivationstrick ist: Man kennt ihn schon. Er funktioniert höchstens einmal – und dann nie wieder. Was wirklich hilft: Verabreden. Absagen per SMS in aller Frühe, das erfordert schon Dreistigkeit und gefährdet nach dem zweiten Mal jede Sportfreundschaft. Der Laufpartner weiß: mit großer Wahrscheinlichkeit gelogen. Was auch hilft: zu Laufwettbewerben anmelden. Wenn in ein paar Wochen der Crosslauf, ein Halbmarathon oder die »5 Kilometer von Worpswede« drohen, dann treibt schon die nackte Panik vor dem Versagen den Athleten in die Botanik. Was vor allem bei Anfängern funktioniert: jeden Abend auf die Waage. Aber Vorsicht: Muskeln sind schwerer als Fett. Deswegen nehmen gerade Anfänger oft noch etwas zu, werden aber mit einer attraktiven Silhouette belohnt.
Mehr Motivationstipps auf www.achim-achilles.de

Läufer sind anspruchsvolle Menschen. Nur so rumzujoggen ist profan, darum muss es Ziele geben. Mindestens eine Dreiviertelstunde klingt nicht schlecht. Blöd nur, dass bereits nach ein paar Schritten das große Japsen einsetzt. Manchmal bringt Kreativität bei der Zeitnahme die Rettung.

    Es ist kalt. Der Wind peitscht ins Gesicht. Der zweite Schritt landet in einer tiefen Pfütze. Gut, dass Mona den Kreditkartenbeleg für die neuen Laufschuhe nicht gesehen hat, als sie mir gestern mal wieder Bargeld aus der Brieftasche mopste. 140 Euro für diese Treter aus Fortschrittsfaser, die nicht mal wasserdicht sind. Die nassen Socken in den nassen Schuhen schmatzen wie Aliens. Gudrun späht aus ihrem Kiosk. Wahrscheinlich ruft sie gleich die Polizei. »Kommen Sie schnell! Und bringen Sie das Betäubungsgewehr mit! Da läuft so ’n Irrer durch den Regen!« Gudrun raucht und steht sieben Morgen die Woche um halb sechs in ihrem Zeitungsladen. Wer seine Zeit mit Laufen vertrödelt, »der hat se doch nicht alle«, sagt sie.
    Seit Jahren hat Gudrun nicht mehr ausgeschlafen. Mir wird es auch so gehen. Die nassen Kunstfasern kleben luftdicht am Körper. Von wegen Membran, die die Feuchtigkeit ausschließlich von innen nach außen transportiert. Das Gegenteil ist der Fall. Mir ist kalt. Ich bin müde. Mir ist schlecht. Ich kann nicht mehr.

    Ein Blick auf die Uhr: 4 Minuten 28 Sekunden, und noch nicht mal am Eingang des Volksparks.
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