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Achilles Verse

Achilles Verse

Titel: Achilles Verse
Autoren: Achim Achilles
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von damals glaubt er schon lange nicht mehr.
    Eines Tages war es schließlich so weit. Am Morgen hatte er den Arzt besucht, weil er sich schon seit Monaten unerklärlich schlapp fühlte. Der Doktor, ein sehniger Bursche, hatte ihm einen Klaps auf die Schulter gegeben und »etwas mehr Bewegung an der frischen Luft« verordnet. Nachdenklich hatte Achim die Praxis verlassen. Beim Mittagessen hatte er erstmals seit Jahren auf den gewohnten Nachschlag verzichtet. Abends schließlich warf er die alten Gürtel weg, die seine Frau ihm vorwurfsvoll über den Schreibtischstuhl gehängt hatte. Er hatte es satt, immer neue Löcher ins Leder zu bohren.
    Kurz vor dem Einschlafen war ein Entschluss gefallen, der sein Leben verändern sollte. Ab morgen würde er laufen, vielleicht nicht täglich, aber mehrmals die Woche. Er raunte es seiner Frau Mona zu. Die lachte nur: »Du doch nicht.« Sein Ehrgeiz war geweckt. Seiner Mona würde er es zeigen, und dem Rest der Welt dazu.

    Seither begleiten die Leser ihren Achim auf seinem Weg in ein geheimnisvolles Paralleluniversum der Laktate und Aminosäuren, von den ersten schweren Schritten bis zum Marathon. Sie erfahren über den Sinn (oder Unsinn) von Tempoläufen im Herbststurm, sie durchleiden die Langeweile von dreieinhalbstündigen Ausläufen und quälenden Motivationstiefs.
    Laufen, das ist die universellste und einfachste Sprache der Welt, ob barfuß in den Slums oder auf 350-Dollar-Sohlen in Malibu. Andererseits ist Laufen furchtbar kompliziert: jede Woche eine neue Studie zu korrekter Atmung oder falscher Technik. Der Bedarf an Orientierung ist so gewaltig wie die stille Hoffnung, einen Schuh, ein Hemd, einen Zaubertrank zu entdecken, der einen etwas schneller macht.
    Achilles kommentiert gnadenlos die Absurditäten einer milliardenschweren Fitnessindustrie. Zugleich ist er »Power-Shopper«, der an kaum einem neuen Produkt vorbeilaufen kann: Diesmal könnte es ja tatsächlich helfen. Seine Selbstversuche haben so manchem Läufer schon unsinnige Ausgaben erspart. Achilles’ Verse ermutigen zur Skepsis gegenüber dem Fitness- und Schönheitsterrorismus mit seinen dreisten Lügen.
    In einer Schicksalsgemeinschaft mit seinen Lesern arbeitet Achim Trainingspläne ab, er testet Pillen und Pülverchen, friert auf vereisten Pfaden, trotzt dem Durst im Hochsommer und wundert sich über allerlei rätselhafte Körpervorgänge. Natürlich träumt Achim wie nahezu alle Läufer davon, eines Tages einen Marathon in einer halbwegs akzeptablen Zeit zu bestehen, jenem allseits anerkannten Nachweis von Härte, Zähigkeit und Leistungswillen.
    Was Achim erlebt, das kennen Millionen von Freizeitläufern, vom Olympioniken bis zum Walker mit 45 Kilogramm Übergewicht: die Qual des Aufstehens, die Motivationstricks, die alle nicht funktionieren, die fragenden Blicke der Nachbarn, der selbst gemachte Druck, die Freude, sich wieder überwunden zu haben.

    Achilles macht keinen Hehl daraus, dass ihn nicht Glück treibt oder Freude, sondern das schlechte Gewissen. Laufen, das ist nicht orgiastische Erfüllung, wie mancher Guru behauptet, sondern schlichtweg das kleinste Übel, um in einer leistungsgeilen, diäthungrigen Sixpack-Gesellschaft einigermaßen zu bestehen.
    Dieses Laufbuch ist für alle da. Für den Anfänger, der mit Interesse verfolgt, was dieser seltsame Achilles treibt, für den Fortgeschrittenen, der Achims Sorgen, Hoffnungen und Nöte bestens kennt und für den Profi, der sich amüsiert über die ungelenken Versuche, ein bisschen besser zu werden. Und schließlich sind da noch die Partner, die wahren Helden im Laufkosmos, die in stillem Heldentum Entspannungsbäder vorbereiten, Berge kohlenhydratreicher Speisen anrichten, übel riechende Socken und verdreckte Laufschuhe überall in der ganzen Wohnung erdulden und Schränke voll gestopft mit hässlichen Finisher-T-Shirts.
    Läufer sind weder Ästheten noch Visionäre. Sie sind knallharte Realisten. Oder werden es spätestens nach der Lektüre von Achilles’ Verse . Wie jeder Läufer hat auch Achim die Hoffnung begraben müssen, mit einem Waldlauf könne man einer bösen Welt entfliehen. Laufen, das ist so gemein und widersprüchlich wie das ganze Leben. Nirgendwo ist die Freiheit so grenzenlos wie in Laufschuhen, nirgendwo gelten zugleich die Gesetze der Leistungsgesellschaft unbarmherziger. Der Wert eines Menschen wird in Zehntelsekunden bemessen, keine Ausrede gilt. Hinter vordergründigem Sportsfreund-Getue herrscht egomanische Kälte
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