Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Accra: Roman (German Edition)

Accra: Roman (German Edition)

Titel: Accra: Roman (German Edition)
Autoren: Kwei Quartey
Vom Netzwerk:
dazu?«
    »Weiß ich nicht«, antwortete Dawson.
    »Dann müssen wir das zuerst klären«, sagte Cairo. »Wenn ich ein Sprichwort zitiere, was bezwecke ich damit? Ich will dir irgendeine Weisheit auf kurze, einprägsame Art vermitteln, richtig?«
    »Ja.« Dawson setzte sich auf. »Warte mal.«
    »Was?«
    »Du hast es eben ausgesprochen, Cairo. Wenn du ein Sprichwort verwendest, versuchst du mir eine Weisheit zu vermitteln, nicht jemand anderem. Die ganze Zeit über habe ich gedacht, der Mörder will uns etwas sagen, aber nicht wir sind es, die er belehrt, sondern seine Opfer.«
    »Mhm. Verstehe. Aber was nützt die Lehre seinen Opfern, wenn sie tot sind?«
    »Das ist ganz einfach. Ob sie traditionellen oder christlichen Glaubens sind, viele Leute glauben an ein Leben nach dem Tod. Der Mörder schickt die Opfer sozusagen mit den Sprüchen versehen ins Jenseits. Botswe hatte recht. Es ist ›messianisch‹,apokalyptisch.«
    Sie sahen einander einen Moment lang stumm an.
    »So ungern ich es auch zugebe, aber manchmal bist du brillant«, sagte Cairo.
    »Nein, der Brillante von uns bist du«, erwiderte Dawson lachend. »Aber bejubeln wir uns gegenseitig, nachdem wir die anderen beiden Sprichwörter gefunden haben, okay? Los geht’s.«
    Die nächsten fünfzehn Minuten blätterten sie schweigend vor sich hin.
    »Hier ist was«, sagte Cairo. »Guck dir mal Spruch Nummer dreihundertsechzig an.«
    Dawson blätterte auf die Seite. »Obi ntó ntasu ntó fam mfa ne tεkrεma mfa« , las er. »Übersetzung: Niemand spuckt auf den Boden und leckt es mit der Zunge auf. Wie appetitlich!«
    »Heißt das, man beschmutzt sich nicht mit dem, was man gerade selbst beschmutzt hat?«
    »Falls der Mörder das sagen will, meint er vielleicht, dass an den Straßenkindern der Schmutz haftet, den sie mitgebracht haben – Sittenlosigkeit, Krankheit und so weiter?«
    »Könnte sein«, sagte Cairo.
    »Gut, nehmen wir das als mögliche Botschaft. Fehlt uns noch der Spruch, der zu den Fingern passt.«
    »Ich glaube, den kennt jeder. ›Niemand zeige mit dem linken Finger auf seine Heimat.‹ Anders ausgedrückt: Sei stolz auf dein Dorf, deine Stadt oder dein Land.«
    »Schon, das Problem ist nur, dass die Finger der rechten Hand abgehackt wurden, nicht die der linken.«
    Cairo schnaubte. »Okay, also kommt das nicht infrage.«
    »Wie ist es hiermit?«, fragte Dawson. » Adeo kake loko adeo enyo . Das bedeutet, wir müssen bis eins zählen, ehe wir bis zwei zählen können. Finger werden nicht direkt erwähnt, aber es kann das Abzählen an den Fingern gemeint sein.«
    »Möglich wär’s«, pflichtete Cairo ihm bei. »Ein bisschen subtiler als die anderen beiden. Nehmen wir an, wir haben die richtigen Sprüche und wissen, was sie bedeuten sollen. Wo ist die Verbindung zwischen den Straßenkindern und Dr. Botswes Sankofa-Vogel und seinem Sprichwörterbuch?«
    »Ich glaube, ich kenne die Antwort«, sagte Dawson. »Und das könnte heißen, dass ich auch weiß, wer der Mörder ist.«

51
    Austin war aufgeregt, weil er endlich sein Gespräch mit Dawson bekam. Seine Begeisterung wurde allerdings durch den Lärm im Büro der Detectives getrübt, in dem es stattfand.
    »Wie können Sie bei dem Betrieb hier arbeiten?«, fragte er.
    »Wir haben uns daran gewöhnt.«
    Dawson und Chikata saßen Austin gegenüber am Tisch.
    »Ich halte Sie auch nicht lange auf«, versprach Austin. »Ich brauche bloß ein paar Informationen über die Morde an diesen Jugendlichen. Mal sehen. Zuerst kam Musa Zakari, dann Ebenezer Sarpong, Comfort – den Nachnamen weiß ich nicht – und schließlich Antwi Boasiako. Ist das korrekt?«
    »Korrekt«, sagte Dawson. Er legte das Buch der Sprichwörter auf den Tisch und beobachtete, wie Austin reagierte. »Kennen Sie das?«
    Austin nahm es hoch. »Nein, nicht dass ich wüsste. Sollte ich?«
    »Ich glaube schon. Sie haben es in Dr. Botswes Arbeitszimmer gelesen, als Sie bei ihm aufgepasst haben.«
    »Tut mir leid, Inspector, jetzt bin ich verwirrt. Ich habe dieses Buch noch nie gesehen.«
    »Schlagen Sie die Seite mit dem ersten Lesezeichen auf, und lesen Sie den Spruch Nummer dreihundertsechzig.«
    »Meinetwegen. Hier steht: Niemand spuckt auf den Boden und leckt es mit der Zunge auf.«
    »Ja. Schlagen Sie beim nächsten Lesezeichen auf. Wie lautet der markierte Spruch?«
    »Wir müssen bis eins zählen, ehe wir bis zwei zählen können.«
    »Was sagen Ihnen diese Sprichwörter?«
    »Ähm, na ja, nicht mehr als die meisten anderen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher