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Abzocke im Online-Chat

Abzocke im Online-Chat

Titel: Abzocke im Online-Chat
Autoren: Stefan Wolf
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Jacke zur Hälfte hoch und schwang
sich wieder auf den Sattel.
    Die schnurgerade
Zubringerstraße, die vom Internat in die Stadt führte, gehörte ihnen um diese
Zeit allein. Sie brauchten nicht auf den Verkehr zu achten. Klößchen passte
allerdings auch nicht auf die zahlreichen Schlaglöcher auf, die der kalte
Winter hinterlassen hatte. Versonnen schaute er auf das leuchtende Gelb eines
Rapsfeldes, das den Weg säumte.
    Tim hatte das Loch in der
Straße schon elegant umkurvt, als Klößchen geradewegs in die Falle sauste. Das
Vorderrad blockierte. Klößchen flog über den Lenker und landete mit dem Po auf
dem harten Asphalt.
    Tim drehte sich erschrocken um,
stieg vom Rad und kümmerte sich um seinen Freund, der ihn fassungslos
anstarrte.
    »Alles okay?«, fragte Tim.
    »Das weiß ich noch nicht«,
meinte Klößchen.
    Tim half ihm auf die Beine.
    »Kann man sich eigentlich auch
das Hinterteil brechen?«, fragte Klößchen.
    »Logisch! Das sind ja auch
Knochen. Und? Hast du?«
    »Glaube nicht. Es tut zwar
höllisch weh, aber es scheint noch alles dran zu sein.«
    »An deinem Rad auch«, sagte
Tim.
    »Gut«, sagte Klößchen. »Besser
Rad dran, als ein Rad ab...« Er konnte schon wieder lachen.
    Tim wusste nicht, was an dem
Spruch witzig war, aber er lachte trotzdem mit.
    Das Lenkrad des Mountainbikes
musste gerichtet werden. Dann setzten sie die Fahrt ohne weitere Zwischenfälle
fort. Tim trat tüchtig in die Pedale, aber die verlorene Zeit war nicht
einzuholen.
    Die Verspätung war enorm. Gaby
und Karl warteten seit einer guten Stunde im Eiscafe Venezia am Lili-Grün-Platz
in der Innenstadt.
    Tim und Klößchen stellten ihre
Räder an einer Kastanie ab und sicherten sie mit ihren Kabelschlössern. Tim und
Gaby begrüßten sich mit Küsschen auf die Wange.
    »Hi«, rief Klößchen und legte
die rechte Hand an die Stirn wie ein Soldat.
    »Hi, Klößchen«, sagte Gaby und
schaute dabei doch nur Tim an.
    Karl zog eine Weltuntergangsflutsche.
Klößchen berührte ihn am Oberarm. Karl ging hoch wie eine Rakete.
    »Schöne Freunde seit ihr«,
sagte er in ungewohnter Lautstärke. »Lasst mich hier hängen. Das ist so was von
gemein. Dabei wisst ihr genau, um was es geht.«

    »Ganz easy, Karl«, sagte
Klößchen. »Besser zu spät als nie...«
    »Noch so ein Spruch und...«
Karl winkte ab und fuhr jammernd fort: »Das ist ein einmaliges Angebot. Da
spare ich fast 300 Euro. Bei so einem Schnäppchen stehen die Leute Schlange.
Hätte ich nur die Schule geschwänzt. Gleich nach dem Aufstehen hätte ich zu
SUPER-ELEKTRO fahren sollen. Ohne euch! Dann hätte ich jetzt mein neues
Notebook und alles wäre gut.«
    Es schien, als finge Karl
gleich an zu heulen. Tim verdrehte die Augen. Fast hatte er ein wenig Mitleid
mit seinem Freund. Seit Wochen quasselte er nur noch von dem neuen Laptop, den
er sich zulegen wollte. Sein Computer war abgestürzt und nicht mehr zu
reparieren. Die Daten auf seiner Festplatte hatte er retten können. Nicht umsonst
hatten seine Freunde ihm den Nickname Computer gegeben. Sein Superhirn
speicherte alles, was er hörte, sah oder las. Sein gesammeltes Wissen konnte er
jederzeit abrufen. Ein Suchwort genügte. Ein Alleswisser war er allerdings
nicht. Das fand er auch nicht erstrebenswert. Man musste nur wissen, wie man
sich Wissen verschaffte. Darauf kam es an. Und dafür gab es eine schier
unerschöpfliche Quelle: das Internet. Allerdings war die Quelle nicht immer
zuverlässig. Auch diese Erfahrung hatte er schon gemacht. Vertrauen in das
Internet war gut, aber Kontrolle schadete nicht.
    »Mensch, Karl, wie bist du denn
drauf?«, sagte Gaby.
    Karl sah ein, dass er den Bogen
ein wenig überspannt hatte, und murmelte ein »Sorry«.
    »Geht doch«, sagte Klößchen und
studierte im Stehen die Eiskarte.
    Karl Vierstein schnellte hoch
und stand nun Klößchen in voller Länge gegenüber: lattendürr und schlaksig.
Auch die Arme waren etwas zu lang geraten. Er nahm seine Nickelbrille ab,
setzte sie auf, nahm sie wieder ab, ein Zeichen dafür, dass er nervös war.
    »Klößchen! Es gibt jetzt kein
Eis! Verstanden?«
    Willi Sauerlich zögerte einen
Augenblick. Dann legte er die Karte auf den Tisch zurück.
    »Okay, dann düsen wir halt
los.«, schnaufte er.
    »Du bist ja heute total auf
Krawall gebürstet.«
    »Kannst ja hier warten und dir
den Bauch mit Eis vollschlagen«, sagte Karl.
    »Das bestimmst gerade du«,
blaffte Klößchen.
    »Jetzt habe ich aber die Faxen
dicke!« Tim trat einen Schritt nach vorn.
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