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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
Autoren: Ralf Boscher
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weil er, wenn er spielte, äußerst gründlich vorging).
    Ja, vielleicht hatte auch K. seine Quelle. Vielleicht bin ich ihm also auf den Leim gegangen, indem ich hinter seinen Geschichten, seinem ganzen Gehabe, einen dunkel dräuenden, bedrohlich wahren Kern vermutete. Aber in dieser schlaflosen Nacht fegte ich diesen Gedanken beiseite. Wichtig waren andere Fragen: Was sollte ich mit meinen Informationen anfangen? Würde die Polizei meine Erkenntnisse als wichtig genug erachten, um tätig zu werden? Würde meine Aussage, die Briefe, der bloße Verdacht, dass K. bei zumindest zwei Todesfällen die Finger im Spiel gehabt hatte, einem Staatsanwalt genügen, um einen Haftbefehl auszustellen? Auch wenn dieser Verdacht aufgrund der unveröffentlichten Details an Wahrscheinlichkeit gewinnen musste. Würde ein Gang zur Polizei meine Eltern schützen? Nicht nur morgen, übermorgen, sondern langfristig?
    Ein langer Spaziergang durch mein Heimatdorf im Morgenschein sollte die Entscheidung bringen. Auf meinem Rückweg zum Haus meiner Eltern kaufte ich noch Brötchen, nach dem Frühstück, so mein Entschluss, würde ich zur Polizei gehen.
    Ich ging unter die Dusche, dann deckte ich den Frühstückstisch. Meine Eltern und ich waren bei der zweiten Tasse Kaffee, als die Feuerwehrsirene ging. Bei der dritten Tasse kam der erste Anruf einer Freundin meiner Mutter, und wir wussten, wo es brennt. Beim nächsten Anruf erfuhren wir, dass das Haus nicht mehr zu retten war. Dann rief Gerda an und wir erfuhren, dass man eine Leiche gefunden hatte – dass ihr Mann die Leiche gefunden hatte. Was mein Vater mit einem Kopfschütteln quittierte. A ls wenn der in ein brennendes Haus reingehen würde, der hat doch Schiss inne Bux, wenn er ein Streichholz löschen soll! Ungefähr bei der vierten Tasse Kaffee (und einige Telefonate später) war allen im Dorf klar, dass es sich bei der Leiche nur um K. handeln konnte (auch wenn die amtliche Bestätigung erst Tage später kam).
    So schrecklich es auch ist, wenn ein Mensch gewaltsam aus dem Leben scheidet, spürte ich bei diesen Nachrichten, ich will es nicht verhehlen, dennoch eine große Erleichterung. Meine Eltern waren außer Gefahr. Ich ging nicht zur Polizei. Vielmehr setzte ich mich später an diesem Tag an den Gartentisch.
    Endlich konnte ich den schönen Garten meiner Eltern genießen und blinzelte in der Mittagssonne. Auf dem Rasen stritten sich einige Spatzen um einen fetten Wurm. Im Kirschbaum sang eine Amsel. Bienen summten. Hummeln brummten. Ein Zitronenfalter flatterte über die Blumenbeete. Der Packen Papier, den ich im Lauf der Tage von K. erhalten hatte und der immer noch neben mir auf der Bank lag, störte mich bei meinen Betrachtungen nicht weiter. Obenauf lagen die Seiten, die ich am Vorabend gelesen hatte. »Ende gut, alles gut«, stand auf dem obersten Blatt. Da ist etwas dran, dachte ich bei mir. In diesem Moment stand außer Frage, dass ich, wenn ich genügend lange in die Sonne geblinzelt hatte, den Stapel Papier in der Papiertonne meiner Eltern versenken würde. Doch dann kam mein Vater den Gartenschlauch hinter sich herziehend zu mir geschlendert.
    »Dein neuer Roman?«, fragte er mich.
    »Nein, nein, nur etwas, dass ich lesen sollte«, entgegnete ich.
    »Ach so«, meinte Vater. »Liest sich aber wie etwas von dir. Habe vorhin ein bisschen drin herumgeblättert. Klingt spannend«, sagte er noch und begann die Blumen zu wässern. Und während der Zitronenfalter über dem Kopf meines Vaters tanzte und die Sonne sich in der feinen Gischt des Wasserstrahles in Regenbogenfarben brach, griff ich wahllos in den Stapel Papier hinein. Dann las ich. Als ich damit aufhörte, die Sonne war mittlerweile hinter dem Haus versunken, dachte ich nicht mehr daran, K.s Aufzeichnungen wegzuwerfen.
    Ich blieb noch einige Tage bei meinen Eltern. Zwischenzeitlich wurde das amtliche Untersuchungsergebnis bekannt gegeben. K. war identifiziert. Gerda und ihr Mann brachten uns die Neuigkeit. Wir saßen gerade beim Mittagessen, Sauerbraten mit Rotkraut und Klößen, als sie anklingelten. Gerdas Mann trug ein Mitbringsel unter dem Arm (»Den trägt er seit dem Brand mit sich herum, damit man glaubt, dass er den Leichnam gefunden hat«, flüsterte Vater mir ins Ohr und fügte hinzu: »Aber es glaubt ihm dennoch keiner!«). Das Mitbringsel war Hasso, der den verheerenden Brand erstaunlicherweise ohne Schaden (er roch nur sehr rauchig) überstanden hatte. »Schrecklich, schrecklich!«, erzählte Gerdas
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