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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition)
Autoren: Peter Watts
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Clarke gegenüber Platz. »Also, wie gefällt es Ihnen hier bisher?«
    Clarke zuckt die Achseln und isst weiter.
    »Ich bin froh, dass wir nur ein Jahr lang hier unten sein werden«, sagt Ballard. »Nach einer Weile kann einem das ganz schön zusetzen.«
    »Könnte schlimmer sein.«
    »Oh, ich beschwere mich ja auch nicht. Schließlich habe ich nach einer Herausforderung gesucht. Wie steht es mit Ihnen?«
    »Mit mir?«
    »Warum sind Sie hier unten? Wonach suchen Sie?«
    Clarke zögert einen Moment mit der Antwort. »Ich weiß nicht«, sagt sie schließlich. »Wahrscheinlich wollte ich einfach nur meine Ruhe haben.«
    Ballard blickt auf. Clarke erwidert ihren Blick mit ausdrucksloser Miene.
    »Na, dann werde ich Sie mal in Ruhe lassen«, sagt Ballard freundlich.
    Clarke schaut ihr hinterher, während sie den Gang hinunter verschwindet. Sie hört das Geräusch einer Kabinenluke, die mit einem Zischen zuschlägt.
    Geben Sie es auf, Ballard, denkt sie. Ich bin kein Mensch, den Sie wirklich kennenlernen wollen .

    Kurz vor Beginn der Morgenschicht. Der Küchenautomat spuckt mit dem üblichen Widerwillen Clarkes Frühstück aus. In der Kommunikationszentrale beendet Ballard gerade ein Telefongespräch. Einen Moment später erscheint sie in der Luke.
    »Die Chefetage sagt …« Sie hält inne. »Sie haben blaue Augen.«
    Clarke lächelt schwach. »Sie haben sie doch schon einmal gesehen.«
    »Ich weiß. Es ist nur irgendwie überraschend, weil ich Sie schon eine ganze Weile lang nicht mehr ohne die Augenkappen gesehen habe.«
    Clarke setzt sich mit ihrem Frühstück an den Tisch. »Also, was hat die Chefetage gesagt?«
    »Wir sind gut im Zeitplan. Die restliche Mannschaft kommt in drei Wochen runter, und in vier Wochen werden wir den Betrieb aufnehmen.« Ballard nimmt Clarke gegenüber Platz. »Ich frage mich manchmal, warum wir das eigentlich noch nicht getan haben.«
    »Wahrscheinlich wollen sie sichergehen, dass alles gut funktioniert.«
    »Für eine Testphase scheint mir das trotzdem etwas lang. Man sollte doch meinen … nun, dass sie nach allem, was geschehen ist, das Geothermalprogramm so schnell wie möglich einsatzbereit haben wollen.«
    Nachdem es in Lepreau und Winshire zur Kernschmelze gekommen ist, meinen Sie.
    »Und da ist noch was«, sagt Ballard. »Ich komme nicht nach Piccard durch.«
    Clarke blickt auf. Die Station Piccard ist in der Galapagos-Riftzone verankert, was nicht unbedingt ein stabiler Liegeplatz ist.
    »Haben Sie das Pärchen kennengelernt, das sich dort befindet?« , fragt Ballard. »Ken Lubin und Lana Cheung?«
    Clarke schüttelt den Kopf. »Sie haben das Training vor mir absolviert. Außer Ihnen bin ich bisher noch keinem anderen Rifter begegnet.«
    »Nette Leute. Ich dachte mir, ich ruf sie mal an, um zu sehen, wie es in Piccard so läuft, aber ich komme nicht durch.«
    »Ist die Verbindung unterbrochen?«
    »Etwas in der Art, hat man mir gesagt. Nichts Ernstes. Sie schicken ein U-Boot runter, um nach dem Rechten zu sehen.«
    Vielleicht hat sich der Meeresboden geöffnet und sie verschluckt, denkt Clarke. Vielleicht hat ein Schott nachgegeben – eins reicht vollkommen aus …
    Tief in Beebes Verstrebungen ist ein Ächzen zu hören. Clarke blickt sich um. Während sie nicht hingesehen hat, scheinen die Wände ein Stück näher gerückt zu sein.
    »Manchmal«, sagt sie, »wünsche ich mir, wir würden im Innern der Station nicht den Oberflächendruck aufrecht erhalten und uns lieber dem Umgebungsdruck anpassen. Um die Hülle zu entlasten.« Sie weiß, dass das unmöglich ist; die meisten Gase würden einen auf der Stelle umbringen, wenn man sie bei einem Druck von dreihundert Atmosphären einatmet. Selbst Sauerstoff kann tödlich sein, wenn der Druck einen bestimmten Wert übersteigt.
    Ballard schüttelt sich dramatisch. »Wenn Sie gern neunundneunzig Prozent Wasserstoff atmen möchten, dann dürfen Sie das gerne tun. Mir gefällt es so eigentlich ganz gut.« Sie lächelt. »Außerdem – haben Sie eine Ahnung, wie lange es dauern würde, um hinterher wieder normale Druckverhältnisse herzustellen?«
    In der Kabine mit der Systemsteuerung ertönt ein Warnsignal.
    »Seismische Aktivität. Na wunderbar.« Ballard verschwindet in der Kommunikationszentrale. Clarke folgt ihr.
    Eine bernsteinfarbene Linie windet sich über eine der Anzeigen. Sie sieht aus wie das EEG von jemandem, der einen Albtraum hat.
    »Setzen Sie Ihre Augen wieder ein«, sagt Ballard. »Der Schlund macht Spirenzen.«

    Sie
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