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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
Autoren: Federico Baccomo
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so schlecht.«
    »Ich meine, wegen der Frau.«
    »Ach so. Tja.«

6
    Vom Himmel fallen die letzten Tropfen eines furchtbaren Gewitters. Die Straßen riechen nach nassem Asphalt. Es ist Nacht. Ich laufe über verlassene Bürgersteige, verloren in meinem um einige Nummern zu großen Trenchcoat mit dem hochgeklappten Kragen, auf dem Kopf ein zerbeulter Hut. Mein Schritt ist sicher, die Finsternis ist mein Freund, die leere Straße macht mir keine Angst. Der verhangene Blick von Letizia Moratti verfolgt mich aus der Höhe eines alten Wahlplakats. Ich ziehe an der Zigarette, huste und werfe sie weg. Nicht weit von mir entfernt bewegt sich im Licht einer Laterne der Schatten eines Mannes, unsicher. Ich drücke mich an die Wand, verstecke mich in der Dunkelheit. Die Gestalt des Mannes wird deutlicher erkennbar. Ich spüre, wie meine Spannung wächst. Er kommt näher, immer näher, ist kaum mehr als einen Schritt von mir entfernt. Schwungvoll stürze ich mich auf ihn, zerre ihn in einen Hauseingang und drehe ihn gewaltsam zu mir um. Ich packe ihn am Kragen und presse ihn gegen die Wand. Aus Richtung einer Mülltonne erklingt der erstickte Schrei einer Katze und lässt mich schaudern. Ich betrachte den Mann, der vor mir kauert. Er ist zu Tode erschrocken. In den ängstlichen Augen erkenne ich den sonst so scharfen Blick des Mitarbeiters der französischen Geschäftsbank. In seiner panischen Angst bringt er nichts raus als ein Stammeln: » Non-non-non-je-t-en-prie-non-non-non-non-non. « Er fleht mich an, ihn gehen zu lassen, ihm nichts anzutun, aber ich sehe ihn ohne jedes Mitleid an. Dann ziehe ich ein zerknittertes Dokument aus der Tasche. » Hier, hier, schauen Sie genau hin . Klausel 8.4 des Vertrags, den wir soeben unterschrieben haben, enthält eine Garantie zugunsten der Gegenpartei, eine Garantie zu Ihren Lasten, eine Garantie, die ich ohne Ihre Zustimmung eingefügt habe. Schauen Sie.« Der Mann stößt einen unmenschlichen Schrei aus. Ich lasse ihn los, verschwinde, reiße die Arme nach oben und breche in ein teuflisches Lachen aus.
    »Haaa…«
    Unvermittelt öffne ich die Augen und schieße hoch. So bleibe ich sitzen, keuche, starre an die Wand. Das Herz beruhigt sich. Ich schüttle den Kopf. Dann presse ich die Knöchel auf die Augen, lege mich wieder hin und ziehe den Vorhang beiseite. Draußen vor den Fensterschlitzen scheint die Nacht eben erst begonnen zu haben.
    »Irgendetwas muss mit mir passieren«, murmle ich, während ich mit dem Fuß nach einem Pantoffel angele. Ich stehe auf und gehe in die Küche. Im Kühlschrank finde ich eine Scheibe Roastbeef, stecke sie zwischen zwei Toasts und esse ein paar Bissen. Dann trinke ich das Bier, das geöffnet auf dem Tisch steht, und gehe zurück ins Bett. Als ich den Kopf aufs Kopfkissen lege, denke ich, dass ich am liebsten für einen Moment in diese Straße zurückkehren würde, um dem Bankmenschen auch noch ein paar Rechtschreibfehler zu zeigen, die ich in Klausel drei eingeschmuggelt habe.
    Ich schlafe wieder ein.
    Meine Wohnung geht auf einen großen, üppig begrünten Hof hinaus. Es ist einer dieser wenigen Orte in Mailand, die von Rummel und Lärm verschont bleiben. Der gepflegte Rasen wird von verschiedenen Wegen durchzogen, über die sich die älteren Bewohner von ihren Hunden schleifen lassen. Gegenüber von meinem Fenster steht eine Baumgruppe. Von Blüten keine Spur. Der gründliche Beschnitt, dem die Bäume jeden Herbst zum Opfer fallen, lässt sie auch jetzt im Frühling eher wie Gliedmaßen aussehen, die sich gen Himmel recken. Mitten im Hof steht ein ausgetrockneter Brunnen. Das ist nicht gerade ein Panorama, das es auf den Titel von National Geographic schaffen würde, aber es ist eine Insel des Friedens, und sie gehört mir.
    Gelegentlich passiert es, dass die Frau von gegenüber mit dem Nachbarn aus dem Stockwerk darunter streitet. Sie erhebt Anspruch auf das Recht, die Tischdecke auf dem Balkon ausschütteln zu dürfen, weil sie sich auf diese Weise – erstens – der Überreste des Mittagessens entledigen kann und weil diese Reste – zweitens – auf dem Rasen landen und so den Vögeln, diesen armen Wesen, die schließlich Geschöpfe Gottes sind, als Nahrung dienen. Nachdem der Nachbar die Vögel zum Teufel gewünscht hat, nimmt er aus dem Geranienkasten eine Handvoll Erde und bewirft die Frau. Das misslingt gründlich, und die Erde fällt ihm selbst ins Gesicht. Von solchen Episoden mal abgesehen, ist die Atmosphäre friedlich.
    Seit einiger
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