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Abgeferkelt: Roman (German Edition)

Abgeferkelt: Roman (German Edition)

Titel: Abgeferkelt: Roman (German Edition)
Autoren: Andrea Hackenberg
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wie der Lüneburger Heide wird es allerdings nicht einfach sein, solche zu finden. Herr Amberg war sich darüber völlig im Klaren. Im Übrigen auch darüber, was er Ihnen mit diesem Erbe zumuten kann und was nicht. Daher wäre es sicher in seinem Sinne gewesen, wenn Sie das Angebot der Tredbeck-Gruppe wohlwollend prüfen.«
    Kati starrte ihn an. »Mit anderen Worten: Friedrich hat mir sowieso nicht zugetraut, den Verlag halten zu können. Ist es das, was Sie sagen wollen?«
    »Ich würde mir niemals anmaßen …«
    »Schon gut.«
    Das minutenlange Schweigen, das daraufhin einsetzte, bereitete Buddington Unbehagen. »Ich bleibe noch ein paar Tage in der Stadt«, sagte er schließlich. »Wir können uns also noch einmal in Ruhe über alles unterhalten.«
    »Das … das wäre wahrscheinlich das Beste. Ich muss nämlich so langsam an die Arbeit, wissen Sie.«
    »Das verstehe ich vollkommen. Sie haben ja meine Karte.«
    »Ich melde mich. Versprochen.«
    Nachdem der Anwalt sich verabschiedet hatte, schloss Kati sich in der Damentoilette ein und lehnte sich gegen die gekachelte Wand.
    Friedrich.
    So fühlte es sich also an, wenn jemand starb, ohne dass man seinen Frieden mit ihm gemacht hatte. Kati stützte die Hände auf dem Rand des Waschbeckens ab und betrachtete sich im Spiegel.
    »Ich verlange von meiner Tochter, dass sie mehr kann, als sich anzumalen!«, hatte er sie damals angebrüllt, als sie wegen schlechter Noten vom Gymnasium geflogen war. Ihr Wunsch, eine private Kosmetikschule zu besuchen, bewies seiner Ansicht nach nur, dass sie »den Tiefgang einer Pfütze« besaß. »So dämlich kann doch kein Mensch sein!«  – Wie oft hatte sie diesen Satz von ihm gehört? Spätestens mit 15 war Kati durch seine unnachgiebige Strenge so eingeschüchtert gewesen, dass sie sich weigerte, die allmonatlichen Pflichtbesuche bei ihm in Grümmstein anzutreten. Da Heiner Margold, der neue Mann an der Seite ihrer Mutter, außerdem ein wundervoller Adoptivvater war, hätte es ihr eigentlich zunehmend egal sein können, was Friedrich Amberg von ihr hielt. Doch der Schmerz darüber, von ihm abgelehnt zu werden, saß so tief, dass sie in den folgenden Jahren alles tat, um ihn zu beeindrucken: Sie finanzierte sich die Ausbildung an der teuren Kosmetikschule selbst, indem sie kellnern ging. Sie ergatterte mit viel Hartnäckigkeit ein Praktikum im Beauty-Ressort der Frauenzeitschrift Herzwoche. Und weil es ihr dort gelang, als Auszubildende und schließlich als Redakteurin übernommen zu werden, glaubte sie zunächst, dass Friedrich gar nicht umhinkönnte, endlich stolz auf sie zu sein. Immerhin hatte sie es doch geschafft, auch ohne Abitur Journalistin zu werden, und war in seine Fußstapfen getreten.
    Doch ihr Vater sah das anders, wie immer. »Das, was du da machst, ist kein Journalismus«, hatte er gesagt, nachdem er einen Blick auf ihre ersten Beauty-Texte in der Herzwoche geworfen hatte.
    »Ich werde aber als Journalistin bezahlt.«
    »Ach, und wofür? Du machst doch nichts anderes, als Pressemitteilungen von Kosmetikfirmen abzutippen und dafür auch noch Geschenke zu kassieren.«
    »Aber nur zu Recherche-Zwecken«, hatte Kati widersprochen. »Ich muss doch wissen, wie die Produkte wirken, über die ich schreibe!«
    »Recherche ist, wenn man auf der Suche nach der Wahrheit unbestechlich durch den Schlamm kriecht. Das, was du da veranstaltest, ist nichts anderes als Augenwischerei mit Faltencreme, merk dir das!«
    Irgendwann hatte Kati es aufgegeben, ihrem Vater imponieren zu wollen. Der Kontakt zu ihm war mit den Jahren spärlicher geworden und schließlich, begünstigt durch die Entfernung zwischen Frankfurt und Grümmstein, ganz abgebrochen. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass sie zuletzt einen Gedanken an Friedrich verschwendet hatte.
    Bis heute.
    Kati atmete tief durch. Ein Zeitungsverlag – was sollte sie damit nur anfangen? Noch immer fiel es ihr schwer, zu begreifen, was der Anwalt vorhin gesagt hatte. »Ihr Vater wollte Sie nicht überfordern und wusste, was er Ihnen mit diesem Erbe zumuten kann und was nicht.«
    Ganz offenkundig war Friedrich noch weniger von ihren Fähigkeiten überzeugt gewesen, als sie es sich je hätte träumen lassen.
    Mechanisch riss sie ein paar Papierhandtücher aus dem Behälter neben dem Waschbecken und tupfte sich die leicht glänzende Partie um ihre Nase ab. Und jetzt? Sie wusste es nicht. Und das war ein wirklich mieses Gefühl.

2.
    C hantal Ahlers hasste Unpünktlichkeit. Keine
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