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ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)

ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)

Titel: ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)
Autoren: Susanne Storck
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preisorientiert, was ganz und gar nicht geizig bedeutet –, und sie ist umweltbewusst. So stöbert sie im Sperrmüll nach Sachen, die noch in Ordnung sind, und das Wasser fürs tägliche Leben kommt aus einem Brunnen. Als einmal Besuch aus der Großstadt kam, der großzügig-verschwenderisch das Nass verbrauchte, klebte sie auch schon mal die Wasserhähne ab.
    Es ist Zeit für die Tiere. Marita Härtels Anwesen ist eine Art Arche Noah. Hier leben die Eselin Bonny und deren drei Töchter, hier steht Pferd Tobi auf der Weide, Eber Egon und Sau Klothilde gehören der Streichelschwein-Herde an, hier gackern Hühner und Puten, die Katzen Flip und Flop sind hier zuhause. Marita liebt ihre Esel. Und das Sprichwort „stur wie ein Esel“ stimme schon mal gar nicht. „Das sind Gebirgstiere, die sich jeden Schritt überlegen, keine Fluchttiere wie Pferde.“ Na ja „wir spielen auch schon mal das Spiel ,schieb-und-zieh-den-Esel‘, aber stur, nein…“ Ganz wichtig sei, dass sie allein wohne, ohne Nachbarn ringsherum. So gäbe es keinen Stress wegen der vielen Tiere. „Wir gehören sowieso nicht dazu“, sagt die Zugereiste trocken.
    Und nachdem die Tiere gefüttert und die Menschen mit einem zweiten Kaffee versorgt sind, drehen wir eine Runde mit den Hunden Leika und Jule. Inzwischen weiß ich, womit Marita ihren Lebensunterhalt verdient. Sie ist Erzieherin in einem Internat für lernbehinderte Jugendliche im nahen
Hessisch Lichtenau. Und dort steht ihr Campingbus hinterm Haus. Ungenutzt. Da könnte ich doch heute übernachten, schlägt sie vor. Ich schlage dieses Angebot auf keinen Fall aus.
    Während sie zur Arbeit fährt, treffe ich gegen 10 Uhr wieder bei der Nachbarsfamilie ein. Auch hier duftet es nach frischem Kaffee, dann nimmt sich der Schäfer Zeit für eine Betriebsbesichtigung im Grünen. Wir fahren zum Weideland für seine Schafe und über ein früheres Truppenübungsgelände der Bundeswehr. Zeit zum Plaudern. Der gelernte Landwirt arbeitete früher auch mal als Betonbauer. Sein Opa hatte ein Unternehmen. Das Geschäft mit Bodenproben und Stoffanalysen führte die Familie in die weite Welt: nach Namibia, Libyen, Iran, die Arabischen Emirate. Und dann Schäfer – „die Wolle ist nicht mehr gefragt, und die Fleischpreise schwanken wie eine Wundertüte. Man weiß nie, was drin ist.“ Ist er trotzdem froh, Landwirt geworden zu sein? „Jetzt, wo ich älter werde, grüble ich manchmal“, sagt der Mann von Anfang fünfzig. „Im Labor hätte ich viel Geld verdient.“
    Zurück zum Bahndepot, wo seine Frau ein leckeres Mittagessen gekocht hat. Dann packe ich mein Rad, sage Tschüss und radle ins nahe gelegene Hessisch Lichtenau, wo mir heute eine Übernachtung sicher ist. Walburg werd’ ich nicht vergessen.
    Nachdem ich mich in Hessisch Lichtenau in Maritas Campingbus eingerichtet habe, erkunde ich den Ort. Abends sitzen wir im Internat noch mit ein paar Jugendlichen zusammen. Marita weiß, dass ich am nächsten Tag bis Kassel will. Da kennt sie jemanden, der auf dem Künstlermarkt bei der Documenta gerade mit einem Stand steht. Vielleicht ergibt sich ja eine Übernachtungsmöglichkeit… Diese Frau ist unglaublich – hilfsbereit, gastfreundlich und vertrauensvoll. Eine echte Menschenfreundin.

Kapitel 20
    Mohn-süchtig in Kassel
    Es regnet in Strömen, als ich morgens in Hessisch Lichtenau aufbreche. Seit langem muss ich mal wieder den Regenmantel überstreifen. Trotzdem genieße ich die Tour bis Kassel, der Herkules-Radweg, der weiterhin perfekt ausgeschildert durch eine schöne Gegend führt, enttäuscht mich bis zum Ende nicht. In Kassel angekommen, warte ich in den Arkaden einer Geschäftszeile zunächst ein heftiges Gewitter mit Platzregen ab, anschließend strahlt die Sonne wieder vom blankgeputzten blauen Himmel. Das ist ein Nachmittag im Juli mit Aprilwetter.
    Zunächst führt mich mein Weg wieder schnurstracks zur Touristen-Information. Ich will schon mal vorfühlen, wie ich am besten aus Kassel hinausradeln werde, wovon ich noch keinen Plan habe. Und ich frage die beiden jungen Männer am Tresen auf den Kopf zu, ob sie mir eine Radwegekarte kostenlos überlassen würden. Nein, die müssten sie vorher selbst kaufen. Und wenn sie sich den Preis von 6,80 Euro teilen? Das sei eher schlecht, sie seien Aushilfen. Im Rückblick weiß ich nicht mehr, wer oder was mich damals geritten hat, so unverschämt zu sein. Mir ist am Ende allerdings fast keine Frage und Bitte mehr peinlich. Vielleicht nagte auch
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