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Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Titel: Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters
Autoren: T Rammstedt
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ganz
hinten auf der Zunge, ganz hinten in der Seele, das sind immer Sie. Sie können
mir da ruhig vertrauen, denn ich kenne meinen Bankberater in- und auswendig.
    Anderthalb Jahre lang habe ich ihn immer wieder getroffen, am Ende
sogar täglich. Ich habe alles gewissenhaft mitgeschrieben, ich habe ihn
beobachtet, ihn studiert, mir nächtelang den Kopf über ihn zerbrochen. Mit
nichts kenne ich mich so gut aus wie mit ihm. Ich wusste Dinge über ihn, die er
selbst nicht wusste, die er selbst nicht einmal ahnte. Er hätte zum Beispiel
nie geahnt, dass er seine eigene Bank überfallen würde. Nie im Leben. Aber ich
habe es geahnt. Ich habe die brenzlige Situation kommen sehen. Ich habe sogar
versucht, ihn zu warnen, aber er hat nicht auf mich gehört, und nun ist es zu
spät, nun steht er mitten im Schalterraum seiner Bank, mitten im Überfall,
mitten in der brenzligen Situation. Sie, Herr Willis, müssen ihn dort wieder
rausholen, so schnell wie möglich. Er selbst wird das niemals schaffen. Als er
selbst ist mein Bankberater verloren. Als wir selbst sind wir alle verloren.
Wenn alle nur sie selbst bleiben, kommt es zu keinem glücklichen Ende, und ich
bestehe auf einem glücklichen Ende. Ich lasse da nicht mit mir diskutieren.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    Mein ehemaliger Bankberater glaubte, wie er mir versicherte,
nur an zwei Dinge: an den lieben Gott und dass es für alles eine Lösung gebe.
»Und an Wespen«, ergänzte er dann, an Wespen glaube er auch.

Sehr geehrter Herr Willis,
    wahrscheinlich denken Sie jetzt, ich sei selbst schuld.
Sie denken, ich hätte meinen Bankberater vor der brenzligen Situation bewahren
sollen. Sie denken, ich allein würde das glückliche Ende verhindern und
weigerte mich nun einfach, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Aber, Herr Willis,
genau deshalb wende ich mich doch an Sie. Sie akzeptieren doch selbst nie die
Tatsachen. Nie hindert Sie Tatsächliches daran, etwas nicht zu tun. Die
Tatsachen sind doch stets Ihr liebster Gegner.
    Und ja, ich habe alles kommen sehen. Aber auch wenn man alles kommen
sieht, weiß man nicht, wann genau es kommt, und noch weniger weiß man, wohin es
führt. Und vielleicht war ich auch genau an diesem Tag, beim letzten Termin mit
meinem Bankberater, zu abgelenkt von anderen Dingen (Liebe, Körper, Beruf),
viel zu sehr auf mich fixiert, um zu merken, dass es nun so weit war, dass sich
mein Bankberater mitten im Satz selbst unterbrach, dass er »In Ordnung« sagte
und »Entschuldigen Sie mich bitte für einen Moment.« Es war nun so weit, dass
er in seine Jackentasche griff, einen Revolver hervorholte, sich noch einmal
bei mir entschuldigte, die Tür öffnete und in den Schalterraum trat, dass er
sich räusperte, dass er zweimal nickte, sich noch einmal räusperte und dann
seine Bank überfiel.
    Nichts davon überraschte mich, bis auf den Zeitpunkt. Mein
Bankberater war viel erstaunter als ich. Er schaute mit genau derselben
Mischung aus Furcht und Belustigung auf den Revolver wie sein Kollege am
Schalter, auf den die Waffe gerichtet war. Wahrscheinlich erschrak er noch
etwas mehr als die anwesenden Kunden, als ein Schuss in die Decke abgefeuert
wurde, wahrscheinlich fragte er sich, wer denn da »Alle auf den Boden« sagte,
erst viel zu leise, dann lauter, schließlich mit sich überschlagender Stimme: »Hände
weg vom Alarmknopf, Herr Gerland.« Wahrscheinlich kam ihm die Stimme vage bekannt
vor, aber viel zu laut, viel zu übersteuert. Wahrscheinlich wunderte er sich,
dass er nach all den Jahren ausgerechnet heute in einen Banküberfall geraten
war, obwohl sich der Tag nicht anders angefühlt hatte als die vorherigen, aber
so einen Banküberfall sieht man als Bankräuber vielleicht als Letzter von allen
kommen, der liegt nicht in der Luft, und wahrscheinlich ist es der Banküberfall,
der sich den Tag aussucht. »Ich überfalle gerade meine Bank«, dachte mein
Bankberater, sah kurz auf seine Fingernägel und wunderte sich, wie erleichtert
er auf einmal war.
    Er selbst hatte mit dem Banküberfall ganz sicher nicht gerechnet,
sonst wäre er doch besser vorbereitet gewesen, sonst hätte er sich doch
Gedanken darüber gemacht, wie es danach weitergehen solle, wie er aus der Bank
wieder herauskäme. Sonst hätte er doch nicht so verloren dagestanden mit dem
lächerlich kleinen Bündel Geldscheine in der Hand, sonst hätte er doch eine
Tasche mitgebracht, zumindest eine Plastiktüte, sonst hätte er sich doch nicht
leise bei Herrn Gerland für die kollegiale
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