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Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Titel: Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters
Autoren: T Rammstedt
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ob Sie jetzt endlich
mein Bankberater sein möchten, und Sie blickten nicht auf das Loch in Ihrem Hemd,
das Loch in Ihrer Brust, und ich fragte Sie nicht noch einmal, ich sagte nicht,
dass Sie dann endlich nach Hause könnten. Sie zögerten nicht und dann lächelten
Sie nicht und Sie schlossen nicht die Augen und Sie nickten nicht, nicht nur
einmal, nicht nur kurz, und das war nicht deutlich genug.
    Und dann kein Alarm. Dann war nicht plötzlich alles grell, plötzlich
ohrenbetäubend. Kein Scheinwerfer war auf uns gerichtet, das war nicht unser
großer Auftritt. Es ging nicht nur noch darum, irgendwie den Tunnel zu erreichen,
darin zu verschwinden, und wir wühlten uns nicht eilig voran, schreiend,
fluchend, wir rissen nicht die Latten von den Schachtwänden, nichts stürzte
hinter uns zusammen.
    Und schließlich keine Öffnung, kein Licht, keine Luft. Und wir lagen
nicht nebeneinander auf dem kleinen Grünstreifen, wir beide, Sie als mein
ehemaliger Bankberater und ich. Wir lachten nicht. Kein Morgen brach an, das
wäre ja noch schöner gewesen. Wir hatten uns nicht gerettet. Es war nicht zu
Ende, es war endlich nicht zu Ende, wie glücklich auch immer. Der Hund miaute
nicht, das wäre ja noch schöner gewesen.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    Es sei nun soweit, sagte mein ehemaliger Bankberater bei
unserem vorerst letzten Termin. »In Ordnung«, sagte ich. Wir griffen in unsere
Jackentaschen, alles war da. Wir nickten zweimal. Einer von uns räusperte sich
und der andere auch. »Nach Ihnen«, sagte mein ehemaliger Bankberater, als er
die Tür zum Schalterraum öffnete. »Nein, nach Ihnen«, sagte ich.

Sehr geehrter Herr Willis,
    ich weiß nicht, wann und wo Sie diese Mail lesen werden. Ich
hoffe, recht bald, und ich hoffe, an einem Ort, der Ihnen gefällt, an dem Sie
vielleicht ein paar Tage bleiben wollen. Vor allem hoffe ich, dass es Ihnen gut
geht.
    Über zwei Wochen ist es jetzt schon her, dass Sie endlich nach Hause
gekommen sind. Es war früher Morgen, als Sie in Ihre Straße einbogen, die Luft
bereits herbstlich, müde schlichen Autos an Ihnen vorbei. Zwanzig Meter noch,
die Ruhe kam Ihnen schon entgegen, noch zehn, noch drei, dann keiner mehr, Sie
stiegen die Auffahrt hoch, da war der Limettenbaum, da war der alberne Springbrunnen,
den Sie nie haben wollten, da war Ihr Haus, weiß und gradlinig wie immer,
höchstens noch etwas weißer, noch etwas gradliniger. Sie suchten in Ihren
Taschen nach dem Schlüssel, aber den mussten Sie irgendwo unterwegs verloren
haben, das war kein Wunder. Sie gingen ums Haus herum, den versteckten
Zweitschlüssel von der Terrasse holen, auf dem Kiesweg lag noch der Basketball,
der hierher gerollt war, daran erinnern Sie sich, vor ein paar Tagen, vor
tausend Jahren.
    Vor der Terrassentür schraken Sie zusammen, pressten sich schnell an
die Wand. Da war jemand im Haus. Da stand
ein Mann in Ihrer Küche, nur ein paar Meter von Ihnen entfernt, zur Hälfte von
der offenen Kühlschranktür verdeckt. Sie drehten vorsichtig den Kopf zur Seite und
spähten durch die Glastür. Der Mann hatte den Kühlschrank wieder geschlossen,
war jetzt vollständig zu sehen,
und sofort wichen Sie zurück. Ihr Hals pochte, Ihre Knie zitterten. Dort
drinnen, dort am Kühlschrank, standen Sie.
    Sie legten sich flach auf den Boden, krochen langsam über die
Terrasse, hinüber zum Fenster, durch das Sie einen halbwegs geschützten Blick
in die Küche werfen konnten. Es gab keinen Zweifel, das waren Sie, den Sie da
sahen. Sie sahen sich am Induktionsherd lehnen, in der rechten Hand die grüne
Kaffeetasse, in der linken die Zeitung. Sie sahen sich gähnen, Sie sahen sich
die Stirn runzeln, Sie sahen, wie Sie sich mit der Zunge etwas zwischen Ihren
Zähnen entfernten. Sie trugen Ihren Bademantel, den alten, schon leicht
vergilbten, und er passte Ihnen wie angegossen. Auch das Haus passte Ihnen wie
angegossen, das sahen Sie, Ihr ganzes Leben passte wie angegossen, das sahen
Sie genau. Nichts drückte, nichts saß locker, da blieb kein Platz für
irgendetwas, schon gar nicht für Sie. Sie sahen sich die Kaffeetasse abstellen
und im Bad verschwinden. Sie ließen Ihren Blick noch einmal durch die Küche
schweifen, durch den Garten, den Himmel, und dann gingen Sie. Am Limettenbaum
vorbei, die Einfahrt hinunter, die Straße hinunter, an der Kreuzung zögerten Sie
kurz, schauten nach links, nach rechts und wieder nach links und entschieden
sich schließlich für die Richtung, die Ihnen länger erschien.
    Ein ganzes Stück
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