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Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Titel: Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters
Autoren: T Rammstedt
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sollen? Bestimmt nicht mit den Lakritzschnecken von der
Tankstelle. Wir haben nicht mit einer Mischung aus Verzweiflung und Glück den
Türcode geknackt, wir haben uns nicht an Wände gedrückt, es lief nicht alles
nach Plan, wie sollte es auch, wir hatten ja keinen.
    Und dann standen wir nicht auf einmal da, mitten in der Nacht,
mitten im Ziel, mitten im Krankenzimmer meines Bankberaters. Kein weißes Licht
presste sich durch die Jalousien. Man hörte nicht das Knacken von
Fingerknöcheln, und Rico setzte sich nicht im Bett auf, sah uns weder entsetzt
noch hoffnungsvoll an. Sie flüsterten ihm nichts ins Ohr, Herr Willis, Sie
zeigten dabei nicht auf mich und den toten Hund in meinem Arm. Ricos Blick war
nicht erst amüsiert und dann verängstigt, er schüttelte nicht beflissen den
Kopf, um sich dann unter der Decke zu verkriechen. Sie sahen nicht sehr
zufrieden mit sich aus.
    Mein Bankberater schlief nicht. Sie standen nicht auf der rechten
Seite des Bettes, ich nicht links. Wir standen dort nicht sehr aufrecht, nicht
andächtig, schon gar nicht stolz. Ich hatte mir den Moment nicht größer
vorgestellt, nicht feierlicher. Ich hatte nicht vergessen, dass für so etwas
bei einer Rettung kein Platz ist. Ich hatte nicht vergessen, dass man manchmal
ein Ziel erst schleunigst hinter sich lassen muss, um es zu erreichen.
    Sie schauten mich nicht fragend an, ich nickte nicht, und Sie
berührten nicht vorsichtig den Arm meines Bankberaters, als hätten Sie Angst,
ins Leere zu greifen. Sie sagten nicht »Kommen Sie«, Sie sagten es nicht sehr
sanft. Mein Bankberater schlug nicht mühsam die Augen auf, tat uns nicht als
Traum ab. Wir mussten ihn nicht wach schütteln, ihn nicht aufsetzen. Er gähnte
nicht. Er schaute sich nicht um. Er zeigte nicht auf den toten Hund. Er fragte
nicht: »Was ist das?«, und ich sagte nicht: »Eine Katze«, und mein Bankberater
sagte nicht: »Aha.«
    Sie wissen, dass es nicht so gewesen ist, Herr Willis, sonst müsste
ich Ihnen das nicht schreiben. Wir sind nicht zu dritt den Weg wieder zurück
gegangen, Trakt für Trakt. Wir haben uns nicht extra noch beim hilfsbereiten
Insassen bedankt, und er hat nicht gesagt, dafür sei er ja da. Wir sind nicht
über den Hof geeilt, Sie auf meine linke Schulter gestützt, mein Bankberater
auf die rechte, den Hund hatten wir nicht zwischen uns geklemmt. Es waren nicht
nur noch ein paar Schritte, ein paar lächerliche Schritte. Und da hat nicht
plötzlich dieser Wachmann an der Tischtennisplatte gestanden. Er hat nicht sein
Funkgerät ans Ohr gepresst, er hat nicht aufgeregt gerufen: »Wir haben eine 21.
Ich wiederhole, wir haben eine 21«, und er hat dabei keine Dienstwaffe auf uns
gerichtet. So ist es nicht gewesen, genau so ist es nicht gewesen. Mein Bankberater
hat sich nicht enger an mich geklammert, er hat nicht gesagt, dass er gerade
keine Aufregung vertrage, und ich habe nicht auf den Wachmann eingeredet, ich habe
nicht gesagt, dass er uns ruhig gehen lassen könne, weil das doch alles einfach
nicht wahr sei.
    Ich bin dabei nicht immer näher auf ihn zugekommen, und er hat nicht
immer lauter gerufen, dass ich stehen bleiben solle. »Keinen Schritt weiter«,
hat er nicht gerufen, und ich habe keinen Schritt weiter gemacht, und da war
kein Knall, den ich erst hörte, als Sie schon längst nicht gesprungen waren,
Herr Willis, als Sie schon längst nicht am Boden lagen, als da kein Loch in
Ihrem Hemd war, kein kleiner roter Fleck mitten auf Ihrer Brust, der nicht
wuchs, der nicht fast unscheinbar aussah, und genau das machte mir keine Angst.
Und ich kniete nicht schon längst auf den Armen des Wachmanns, presste seine Hände
nicht auf den Boden, das Funkgerät stellte nicht unentwegt Fragen, die alle
unbeantwortet blieben. Sie schauten mich nicht ungläubig an, als ob hier ein
Fehler vorliegen müsste, ein aberwitziges Missverständnis. Sie versuchten
nichts zu sagen, aber was auch immer es nicht war, es wurde nicht weggespült
von einem Schwall Blut, der sich aus Ihrem Mund ergoss. Mein Bankberater
wiederholte nicht immerzu, dass er sich wirklich nicht aufregen dürfe, das habe
der Arzt ausdrücklich angeordnet, und plötzlich wusste ich nicht, dass genau
hier und jetzt die vierundzwanzig Stunden abgelaufen waren, dass wir genau ab hier
und jetzt keine Abmachung mehr hatten, dass es außer Hier und außer Jetzt nicht
mehr viel gab.
    Ich versuchte nicht, Ihren schon abschweifenden Blick zu fassen. Ich
fragte nicht, ob Sie jetzt doch die Rolle haben wollen,
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