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Abendkuss - Teil I

Abendkuss - Teil I

Titel: Abendkuss - Teil I
Autoren: Birgit Loistl
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mich mit aller Kraft am     Fensterrahmen fest. Ich muss Paps holen! Zwar ist er nur Gynäkologe, aber die notwendigen Erste-Hilfe-Maßnahmen beherrscht er.  Mein Herz schlägt bis zum Hals, als ich den Vorhang zurückschiebe und mich aus dem Fenster    lehne, um nochmal einen Blick auf den Fremden zu werfen. Allerdings etwas zu weit, denn plötzlich spüre ich keinen Boden mehr unter meinen Füßen und kippe mit meinem Oberkörper über den Fensterrahmen. Ich kann mich gerade noch festhalten, sonst wäre ich kopfüber zwei Stockwerke in die Tiefe gefallen. Meine Knie zittern, als ich wieder den Boden unter meinen Füßen spüre. Beinahe wäre ich aus dem Fenster gefallen!
    Ich sehe wieder auf die Straße, in diesem Moment hebt der Fremde seinen Kopf und für eine Sekunde starrt er mich genauso dämlich und überrascht an, wie ich ihn. Blut ist weg! Sein Shirt ist weiß und jeder Kratzer in seinem Gesicht ist verschwunden. Wie kann das sein? Hab ich mir das alles nur eingebildet? Mit einem Schlag überkommt mich eine Ruhe, die ich niemals zuvor gespürt habe. Als hätte eine Windböe all meine Sorgen, die Kämpfe, die Gedanken der vergangenen Monate weggeweht. In mir macht sich ein Gefühl breit, dass ich nicht beschreiben kann. Als hätte ich es endlich geschafft zu vergessen. Doch der Zauber ist nur von kurzer Dauer. Seine Augenbrauen schnellen nach oben, als er bemerkt, wie ich ihn anstarre und ich spüre, wie Hitze in mir aufsteigt.
    Scheiße, ist das peinlich!
    Ein selbstgefälliges, diabolisches Grinsen umspielt seine Lippen, während er den Kopf zur Seite neigt und mich weiter anstarrt. Er fährt sich durch die Haare und lässt mich dabei keine Sekunde aus den Augen. Wir starren uns an, es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Ich habe keine Ahnung, warum mich dieser Typ so aus der Fassung bringt. Die Wärme, die Wellen durch meinen Körper schlägt, erlischt ganz plötzlich, als der Fremde ruckartig den Blick abwendet und zur alten Villa hinübersieht. In diesem Moment öffnet sich die Haustür, ein Mädchen stürmt aus dem Haus und fällt dem Fremden in die Arme. Er nimmt sie in seine Arme, so zärtlich, dass ich zusammenzucke. Ich weiß nicht warum, aber der Anblick bringt mein Gleichgewicht durcheinander. Ein stechendes Gefühl macht sich in meiner Brust breit, das ist nicht zuordnen kann. Vermutlich ist das seine Freundin.
Warum macht mir das etwas aus?
    Das Mädchen löst sich aus seiner Umarmung, nimmt ihn bei der Hand und zieht ihn über die Straße. Der Fremde dreht sich noch einmal um und sieht zu mir herüber. Er lässt mich nicht aus den Augen und seine Lippen ziehen sich zu einem schmalen Strich zusammen, als ich plötzlich wieder diese Stimme in meinen Kopf höre.
    Mia
    Sein Blick liegt auf mir, es ist nur ein Augenblick, dann geht er ins Haus und schließt die Tür.
     
     
     
     
     

3. Kapitel
     
    Noah
     
                    
     Nie habe ich mein Leben mehr gehasst, als in diesem Moment. Wobei Leben die vollkommen falsche           Bezeichnung dafür ist. Es ist die reinste Hölle.  Wenn mir also am Ende aller Tage die Möglichkeit gegeben werden sollte, für meine Taten zu büßen, werde ich für dieses beschissene Leben einen Bonus einfordern – für besonders schwere Grausamkeit. Dabei meine ich nicht nur das Leben auf der Erde, sondern das tägliche Sein mit den     Menschen. Es ist mir ein Rätsel, dass es tatsächlich einige unter den Meinen gibt, die freiwillig ihr Dasein unter ihnen wählen. Ich für meinen Teil, verabscheue jede einzelne Sekunde und sehne mich nach dem Tag meiner    Erlösung. Vermutlich sollte ich mein Schicksal mit Würde tragen, aber auch wenn ich schon seit Jahrhunderten    diese Welt ertragen muss, kann ich mich einfach nicht mit ihr abfinden. Es gibt rein gar nichts, das mein Leben hier auf Erden lebenswert erscheinen lässt.
    „Noah! Gott sei Dank, ich habe mir Sorgen gemacht.“ Saras Stimme klingt brüchig und ihr trauriger Blick spricht Bände. Ich unterdrücke ein Seufzen und frage mich einen Moment lang, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Vielleicht wäre es besser gewesen, mich weiterhin in Rom oder Rio zu verstecken. Dann müsste ich mich nicht mit diesen Schuldgefühlen auseinandersetzen. Ich werfe einen flüchtigen Blick aus dem Fenster und sehe zu Mia. Mia Sophie Winter. Das Mädchen, in deren Hände unsere Zukunft liegt. Der Mensch, der uns endlich zurückbringen wird! Ihre Gefühlsregungen
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