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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten)
Autoren: Ella Bach
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Pelzmantel auf einem überschneiten Mauersockel. Menschlich in Anteilen wirkte das, und abstrus. Gerade hatte er einen Lastwagen mit deutschen Kennzeichen passiert und darauf gewartet, bis seine Rücklichter im Rückspiegel des Lastwagens verschwunden sein würden, da erkannte er vorne am Wegrand etwas Blondes. Es konnte eine Falle sein, das sagten ihm alle Sinne. Er legte eine Vollbremsung hin und schlitterte an dem Phantom vorbei, das ihm verzweifelt zuwinkte.
    Das Stehen Bleiben war ein Reflex, der Griff zur Waffe der nächste. Der Wagen rutschte über die eisige Fahrbahn, und schlidderte fünfzig, hundert Meter über die Asphaltpiste, über ihre Begrenzungen und auf die Eismassen der Wildnis. Zek öffnete die Tür und ließ sich aus dem Wagen rollen, hockte sich hin, drehte sich in den Hüften, blickte rundum und sicherte.
    Da waren nichts als die Nacht, der Wind, und das Scheinwerferlicht, das die Landschaft in einem Bogen erhellte. Fern blinkte das Rot des Lastwagens, das schon von einer Bodenwelle verschluckt wurde. Und ganz nah, wenige Meter entfernt, die Frau, die langsam, wie tastend, in seine Richtung kam. Als sie in das Licht der Autoscheinwerfer trat, erkannte er sogleich, dass dies kein Trick war, sondern eine jener Situationen, die sich ergeben aus der Konstellation der Sterne heraus oder aus Teesatzformationen am Boden eines Wahrsagerglases. Er hatte dergleichen Ereignisse, selbst wenn eine geheime Kraft sie vorbestimmen sollte, als Abenteuer aufzufassen gelernt und reagierte deshalb auch jetzt mit einem Lächeln darauf.
    Zek stand auf und ging vor, um der Geliebten Nr. 73 die Wagentür zu öffnen, deren Griff sie schon umklammert hatte, aber wegen ihrer Verfrorenheit nicht mehr bedienen konnte. Er war sich nicht sicher, ob sie ihn überhaupt erkannte.
    „ Hallo Ninja“, sagte er zu ihr. Ihre Augen blickte ihn an, schienen aber nichts zu sehen.
    Es waren die nackten Beine, und dann die Füße, blau gefrorene, aber immerhin bewegliche Wachsglieder auf dem Nebensitz, die er dann sah. „Hast du keine Stiefel?“ fragte er weiter.
    Sie schwieg, als wäre sie taub.
    Er lenkte den Wagen auf die Piste zurück und fuhr dem Lastwagen nach. Er drehte die Heizung voll auf. Nebenbei warf er der Geliebten Nr. 73, die keinen Ton gesagt hatte, einen Blick zu. Er hatte die Vorstellung eines verfrorenen Kükens, das man in den roten Schein einer Brutlampe gesetzt hat, und das nun doppelt friert.
    Zek nahm das am Rande wahr, während er versuchte, neuerlich an Tempo zu gewinnen.
     
     
     
     

7:23 Uhr
     
    Die letzten Sekunden konkreten Bewusstseins kamen dem Fernfahrer wie ein Missverständnis vor, der Gedanke an das endgültige Aus war kein Thema: Die Lungen schmerzten zu sehr.
    Vorher aber, als er mit einem fadendünn drahtig metallischen Herzklopfen wechselte zwischen Schlaf, Traum und Dösen, Wegseinwollen, hatte er sich nur mies gefühlt. Mehrere Dosen Bier hatten ihn widerstandslos gemacht, schweißig, gebläht. Die Luft stank. Der Mund schmeckte widerlich, als er den Kaffeekocher mit Mineralwasser füllte und noch einmal halb besinnungslos vom kurzen Schlaf in die verrauchten Kissen der Führerhauskabine sank. Er wusste, dass er getrunken hatte, aber nicht viel mehr. Billige russische Zigaretten, dachte er. Diese Stimmung hatte etwas damit zu tun, dass diese kleine Hure, die er gestern gerade noch losgeworden war, ihre Tasche, ihre Kleider, hier liegen gelassen hatte. Das Stoffbündel manschte er, nachdem er es beim Liegen im Rücken wieder drücken gespürt hatte, zusammen, die Tasche aber fiel ihm jetzt erst richtig auf. Er durchkämmte sie mit einer Hand, während die andere die heiße Kaffeetasse umklammerte. Parfum war da (Hugo Boss, eine winzige Flasche - wie kamen die nach Sibirien?), Zigaretten (Marlboro Lights - auch das war erstaunlich), eng beschriebenes Papier, mehrere Seiten (gelb, faltig, geheftet, kyrillische Schrift) und Lippenstift, das war das eine Fach. Das Papier musste weg, das durfte er keinesfalls liegen lassen. Er blickte sich im Führerhaus um, klappte dann am Beifahrersitz den Spiegel ab, zog die Wagenpapiere heraus und schob die Blätter hinein. Jetzt das mit dem Reißverschluss: Ein Bündel Banknoten, aber kein Reisepass. Gut. Keine persönlichen Unterlagen. Euroscheine, Hunderter, die waren ungefährlich. Er zog seine Brieftasche heraus und steckte das Geld hinein. Es war ein schöner Batzen Geld. Selbst die Hunderter rochen nach ihr, dieser Frau, während er sie zählte. Es
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