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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten)
Autoren: Ella Bach
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umhüllten sie, augenblickslang.
    Er stellte sich das filigrane Weiß ihres Körpers als Glas vor, das in wenigen Minuten von Frostblumen überzogen werden und dann unter der Kälte zerbrechen würde. Es mochte fünf Grad unter Null betragen, warm genug, die Dieseltröpfchen eine Weile länger in der Luft zu halten, aber zu kalt, um eine Halbnackte länger als eine Stunde atmen zu lassen. Er hörte in der Erinnerung das kleine, unbewusste Keuchen, schuldige, stimmhafte Laute, die ihn noch einhüllten wie die elastische Wärme ihres Körpers, der beim Ausgesetztwerden im Schnee plötzlich gebrüllt hatte unter der tödlichen Ruptur von Angst, und dann verstummt war.
    Es war nicht zu rechtfertigen, was er tat, sagte sich der Fernfahrer, während der Truck die Piste weiter gegen Westen brüllte, unter keinen Umständen, aber er konnte nicht anders, und die Panik, die er gerade noch empfunden hatte, wurde nun zu einem Glücksgefühl, unter dem er laut aufschrie. Er war entkommen! Der Spaß, den er sich erlaubt hatte, hätte eigentlich enden müssen mit einem Tritt auf die Bremse, und dem Einlegen des Rückwärtsganges. Aber er spürte, dass es einem Triumph gleich kam, das Bild der Vergewaltigten in seinem Kopf einfach zu löschen. Eine Halbnackte im Schnee hatte eine Halbwertszeit von Minuten. Keiner würde sie fragen können, wer sie da ausgesetzt hatte. Er stellte sich ihre Augen vor, kristallklar, und dann das Knirschen, als sie zerbrachen wie Glas.
    Bei fünfundzwanzig Grad Körperkerntemperatur setzt Kammerflimmern ein, wusste er von einem Erste-Hilfe-Kurs.
    Der Fernfahrer stellte fest, dass er außer sich war. Nun wusste er, was damit gemeint war, außer sich zu sein. Er war schon außer sich gewesen, als er diesen unschuldigen, schönen Körper schändete. Die Sünde war so groß, dass sie den Tod nachzog, das fühlte er. Glücklicherweise hatte der Tod nackte Beine. Bald würde er am gefrorenen Boden festkleben.
    In diesem Moment durchfuhr ihn ein Blitz, ein Leuchten. Er wusste zuerst nicht, was es war, dann erkannte er, dass die Nacht von Licht durchbrochen wurde. Das Augenpaar eines Fahrzeugs kam auf ihn zu. Ein Wagen, hier in dieser Gegend? Der Fernfahrer erschrak im Gedanken, dass diesem Fahrzeug in wenigen Minuten eine halbnackte Frau vor den Kühler laufen würde. Zugleich war da Erleichterung: Sie würde überleben. Sie hatte eine Chance, sofern der Wagen anhielt. Auch das war in Ordnung, aber es war zugleich ein Wespennest an Schwierigkeiten.
    Jetzt waren die Scheinwerfer herangekommen, und augenblickslang leuchtete unter seinen Scheinwerfern da unten hinter der Windschutzscheibe der blonder Haarschopf einer Frau auf. Der Fernfahrer erschrak. Es war ein Schreck wie eine Halluzination. Würde sich das nächste Mal der Wagen in einen Vogel verwandeln, der ihm mit dem Schnabel das Führerhaus zertrümmerte?
    Erst dann erkannte er, dass es keine Frau war, sondern ein Mann. Das Haar war dicht und blond, doch die entschlossenen und harten Gesichtszüge der Virilität waren unverkennbar. Und mit dem Bild kam die Gewissheit, dass dieser Mann die Frau kannte, dass er sogar nach ihr suchte. Dass er für sie zuständig war. Der Fernfahrer sah vor seinem inneren Auge eine Szene, in der sich der Mann mit der Blondine stritt, und in der Einöde zurückließ, worauf sie auf den Lastwagen zulaufen würde. Dann war da wieder Stille.
     

15:43 am Tag zuvor:
    Einer der Lichtpunkte am Monitor hatte sich geändert. Es waren grüne Punkte, und sie bewegten sich alle. Einer von ihnen aber strebte aus der Zone der Privatsphäre heraus, wie das hier auf dem Landsitz des Herrn hieß. In der Zone gab es alles, was zum Leben notwendig war. Es gab dort Geschäfte und Kinos und Schwimmhallen und Tennisplätze und Parks. Aber das schien dem Punkt nicht zu reichen. Zek beobachtete den winzigen grünen Fleck wie unter einer Lupe. Er zog die Tastatur heran und gab einige Kommandos ein. Da zeigte der Bildschirm die Nummer 73, und darunter das Bild einer jungen Frau. In diesem Augenblick schnurrte das Telefon und er hob ab. Es war Yuri, der Diensthabende. „Drei Schneefahrzeuge vorbereiten, drei Mann. Keine Waffen“, sagte Zek, hängte auf, und wählte die Nummer des Herrn.
    „ Hier ist Rostiv, Euer Ehren. Wir haben einen Code 3. Erbitte Erlaubnis, die Sache übernehmen zu können.“
    „ Es ist die kleine Ninja, nicht wahr?“ kam sehr schnell die Stimme eines älteren Mannes, und etwas heiser.
    „ Ja, Euer Ehren.“
    Geliebte Nr.
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