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Abbild des Todes

Abbild des Todes

Titel: Abbild des Todes
Autoren: Christiane Heggan
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ihren Arm. “Ich denke, ich nehme das Taxi, wenn es dir nichts ausmacht, E.J. Aber ruf mich unbedingt an, nachdem du mit Maureen gesprochen hast. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich heute Nacht sowieso nicht schlafen kann.”
    Als das Taxi vor ihnen hielt, gab E.J. ihr einen Kuss auf die Wange. “Ich melde mich, sobald ich etwas weiß.” Er öffnete die Wagentür, ließ Zoe einsteigen und reichte dem Fahrer einen Zwanzigdollarschein.
    “E.J., das musst du nicht …”
    Aber er hatte die Tür schon wieder geschlossen.

3. KAPITEL
    Z oe beruhigte sich erst wieder, als sie zehn Minuten später ihr Loft betrat und die Tür hinter sich schloss. Diesen tröstlichen Effekt hatte ihre Wohnung immer auf sie. Egal, in welcher Stimmung sie sich befand oder in welches Desaster sie geriet – zur Lösung aller Alltagsprobleme konnte sie sich stets auf die warme Behaglichkeit ihres gemütlichen Zuhauses verlassen.
    In Manhattan ein Apartment zu finden, das sie sich leisten konnte, war nicht einfach gewesen. Die Mieten in der Stadt waren in den letzten zehn Jahren explosionsartig angestiegen, besonders in SoHo, das inzwischen zu einer der beliebtesten Adressen in New York City geworden war. Aber als ihre beste Freundin Lizzy ihr von der Bonbonfabrik erzählt hatte, deren Besitzer zurück nach Brooklyn ziehen wollte, hatte Zoe den Sprung vom Mieter zum Eigentümer gewagt, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.
    Sie konnte gar nicht mehr zählen, wie viele Wochenenden sie und Lizzy hier gearbeitet hatten – abreißen, neu aufbauen, verputzen, streichen, bis das einhundertachtzig Quadratmeter große Loft mit seinen roten Backsteinwänden sich in die warme behagliche Oase verwandelt hatte, in der Zoe nun stand. Meine Wohnung ist ein perfektes Spiegelbild meiner Persönlichkeit, dachte sie. Der großzügige Platz war geschickt in verschiedene Bereiche aufgeteilt. Kurz hinter dem kleinen Eingangsflur lag die offene Küche mit der großen Kochinsel in der Mitte. Der Wohn-Ess-Bereich war noch größer und explodierte förmlich vor Farben – bequeme Sessel in sonnigem Gelb, ein roter Lacktisch auf dem Perserteppich und Grünpflanzen auf jedem freien Platz. Eine Reihe Holzrahmenfenster, die bis zum Boden reichten, ließen so viel Licht herein, dass ein Künstler nur davon träumen konnte. Ihr Atelier, das aus einem Zeichentisch, einem Hocker und einem Tisch bestand, nahm eine weitere sonnige Ecke des Lofts ein, während ein dreiteiliger orientalischer Paravent, den ein Cousin von Lizzy handbemalt hatte, ihr Bett und das Badezimmer abschirmte.
    Das Pièce de Resistance, wie sie es gerne nannte, und das Erste, was dem Betrachter ins Auge fiel, wenn er ihre Wohnung betrat, war eine riesige bunte Zeichnung von Kitty Floyd, die an der dem Eingang gegenüberliegenden Wand hing. Mit ihrem feuerroten Haar, den langen Wimpern und dem glänzend roten Mund gehörte die Comic-Privatdetektivin genauso zu der Wohnung wie Zoe selbst.
    Auf einem Beistelltisch hatte sie alte Familienfotos arrangiert – ihre Großeltern mütterlicher- und väterlicherseits, alle schon lange tot, ihre Mutter, die mit vierundfünfzig Jahren immer noch wunderschön aussah, und ihr verstorbener Vater, ein Versicherungsvertreter, der bei einem Autounfall starb, als er von einem Kunden zurück nach Hause fuhr. Sie war erst drei, als es passierte, und so konnte sich Zoe nicht mehr an ihn erinnern, genauso wenig wie an den Umzug mit ihrer Mutter von Philadelphia nach New York direkt danach. Aber der Mann, den sie wundervolle drei Jahre lang Daddy genannt hatte, nahm noch immer einen besonderen Platz in ihrem Herzen ein.
    Ihre Mutter war sich bewusst, dass Zoe ihren Vater vermisste, und so hatte sie die Erinnerung an Henry mit vielen Fotos und Geschichten stets lebendig gehalten. Als Moderedakteurin bei
Trends
konnte sie ihre Arbeitszeit selbst einteilen und achtete darauf, dass sie Zoe jeden Morgen zur Schule bringen konnte und immer da war, wenn sie nachmittags wieder nach Hause kam. Einmal hatte sie sogar einen Heiratsantrag abgelehnt, weil Zoe, damals sieben, mit aller Deutlichkeit klar gemacht hatte: “Ich will ihn hier nicht haben. Er ist nicht mein Daddy.”
    Später, als Zoe ahnte, dass ihre Mutter sich sicher auch nach einem Mann in ihrem Leben sehnte, hatte sie das Thema Hochzeit noch einmal aufgebracht. Aber Catherine hatte die Bedenken ihrer Tochter mit einem Lachen fortgewischt. “Mein Leben ist perfekt so, wie es ist, Liebling”, hatte sie zu Zoe gesagt.
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