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~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)

~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)

Titel: ~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
Autoren: Dennis Welz
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Kochaktionen am Abend.
     
    Der Tag geht recht schnell um. Ich hole die Compostella aus dem Pilgerbüro ab, umarme den Jakobus zwei Mal – ein Mal für die alte Dame von der ich nicht einmal den Namen kenne, dann sitze ich auf dem großen Platz um zu schreiben. Mit Érika gehe ich durch die Straßen Santiagos. So richtig angekommen bin ich nicht, obwohl meine Freude groß ist und ich das sehr reale Stadtschild gesehen habe, scheint doch alles unwirklich zu sein.
    800 Kilometer sind unglaublich viel. Dass diese nun hinter mir liegen sollen kann ich nicht verstehen, nicht begreifen.

27.09.08 0km Santiago – Die Stadt der Ankunft, die Stadt des Aufbruchs
    Bis zehn Uhr bewege ich kein Körperteil aus dem Bett. Ausschlafen ist solch ein Luxus. Heute kann ich ihn mir bedenkenlos leisten.
    Die Pilgermesse ist nicht unbedingt spannend aber sehr schön. Der Gesang der Vorsängerin ist noch schöner als ich dachte. Wenn es eine klare, die Seele erhebende Stimme gibt, dann wohl diese. Das riesige Weihrauchfass, der der Botafumeiro wird geschwungen. Das ist recht selten der Fall und viele Pilger planen ihre Reise so, dass sie eine Chance haben dieses Ereignis zu sehen. Ich bin dankbar. Wie ich später erfahre war es wohl zu Ehren eines italienischen Bischhofs, der zu Gast war.
     
    Fast den ganzen Tag sitze ich picknickend mit Érika auf dem großen Platz vor der Kathedrale und schaue den Menschen zu.
    Plötzlich kommt eine Gruppe von Leuten über den Platz gelaufen, die sich alles sehr um einen Herren im Rollstuhl bemühen. Ich höre mich heute noch sagen ‚Ist das nicht der berühmte Kerl?!’ da bricht auch schon ein totaler Rummel los. Tatsächlich ist es Stephen Hawkins. Ich erhasche gerade noch ein Video von ihm, dann ist das Schauspiel auch schon vorüber. Meine brasilianische Begleiterin Erika ist völlig aus dem Häuschen.
     
    Nach einer Weile beschließen wir doch uns weiter in der Stadt umzusehen. Erika kauft viele Dinge ein, wir essen Hamburger in einer kleinen Bar, die Erika schon kannte. Nur durch Zufall hat sie diese wieder gefunden und das Essen ist wirklich günstig und dafür sehr reichlich.
    Danach setzen wir uns wieder auf den großen Platz. Die Zeit fliegt vorbei, die Schatten nehmen immer mehr Raum in Besitz. Touristen kommen und gehen, ab und zu Pilgergruppen, die in Jubel ausbrechen, weil sie es geschafft haben … im Vergleich zu diesen war meine Ankunft wirklich ruhig.
     
    Am Abend wird es immer schöner, die Sonne taucht alles in ein goldenes Licht. Wie in einem Traum. Al wäre ich direkt in ein gemaltes Bild gefallen.
    Obwohl ich weiß, dass die kommende Nacht nicht vermeidbar ist möchte ich doch ewig hier sitzen bleiben und einfach nur die Kathedrale ansehen, die Menschen betrachten, die glücklich ihr Ziel erreichen. Der morgige Tag wird einen Aufbruch und einen Abschied bedeuten, denn Erika werde ich nicht mit nach Finisterre nehmen. Der Abschluss der Reise muss von mir allein bewältigt werden, wie auch der heutige Weg nach Santiago allein mir gehören musste.
    Entsprechend unruhig wird meine Nacht. So sehr ich den Weg nach Finisterre brauche, so ungern möchte ich mich von meiner Weggefährtin trennen. Nicht nur einmal habe ich deswegen Tränen in den Augen, bevor ich genug Ruhe finde einzuschlafen.

28.09.08 24km nach Negreira – Nach Santiago kommt die Einsamkeit
    Der Wecker zerreißt den Wunsch die Nacht möge ewig dauern in Fetzen. So lange wie wir können zögern wir den Abschied hinaus. Ein Taxi fährt vor und ich hasse diesen Augenblick inbrünstig. Schon auf dem Weg zur Kathedrale habe ich Tränen in den Augen. Sonst dauert es viel länger bis so etwas bei mir ankommt und Tränen sind eine Seltenheit bei mir. Ich versuche mich damit zu trösten, dass ich Erika bald wieder sehe, da sie einen Urlaub in Deutschland und Europa geplant hat der schon sehr bald beginnt.
    Trotz des langen Weges und der vielen unbestimmten Abschiede, die hier täglich geschehen, habe ich noch nicht gelernt gelassen damit umzugehen. Ich versuche eine andere Lektion als Ersatz dafür anzuwenden: Man geht nicht zurück, wenn man nicht muss, sondern macht aus dem was vor einem liegt das bestmögliche. So sehr ich es versuche so schwer fällt es mir.
     
    Es geht wieder auf den großen Platz und immer wieder Tränen in meinen Augen. Was für ein seltsames Bild ich bieten muss. Ich bin nicht vom Ankommen gerührt, nein, gleich werde ich weitergehen. Angeblich bringt der Camino jeden dazu mindestens einmal zu
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