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9 Stunden Angst

9 Stunden Angst

Titel: 9 Stunden Angst
Autoren: Max Kinnings
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Büchern, Zeitungen, Handys, MP 3-Playern, Laptops und sonstigen Gegenständen, die moderne Pendler auf dem Weg zur Arbeit mitführen. Jetzt waren all diese Sachen zurückgelassen worden, weil das Wasser sie unbrauchbar gemacht hatte.
    Während der Pegel immer weiter sank, kletterten die Insassen nacheinander aus dem Schlusswagen auf die Gleise, um durch den Tunnel zum U-Bahnhof Leicester Square zu waten. Die Stimmung war gedrückt. Die Leichen der von den Entführern erschossenen Menschen säumten sowohl die Waggons, als auch den Tunnel und erinnerten auf drastische Weise an das Gemetzel, das hier stattgefunden hatte.
    George und Maggie bildeten zusammen mit ihrem Aufpasser, einem bulligen Mann mit rotem Bürstenhaarschnitt, die Nachhut. Als sie auf dem Bahnsteig der Northern Line am U-Bahnhof angekommen waren, führte der Soldat sie von den anderen weg und ging mit ihnen eine Treppe hinauf, die in einem schmalen, niedrigen Flur mündete. Georges und Maggies Schuhe schmatzten beim Gehen, ihre Kleider waren triefend nass. Sie wurden in einen Raum geführt, in dessen Mitte ein Tisch und einige Stühle standen. Dort saß eine uniformierte Polizistin und spielte mit Sophie und Ben ein Brettspiel.
    George hatte die Ereignisse des Tages wie durch einen Schleier wahrgenommen, und dieser unwirkliche Schleier intensivierte sich noch, als Maggie Sophie in ihre Arme riss und er Ben auf den Arm nahm. Erschöpft, aber glücklich umarmten sie sich.
    »Daddy, du stinkst«, sagte Ben, und George und Maggie lachten durch ihre Tränen hindurch.
    15.31 Uhr
    U-Bahnhof Leicester Square, Versorgungsschacht
    Der Rückweg durch den Urwald aus Aktenschränken und Metallregalen war nur geringfügig einfacher, obwohl Conor auf dem Hinweg bereits einen Pfad freigeschaufelt hatte. Diesmal erschwerte das Wasser ihr Vorankommen, das ihnen inzwischen bis zu den Oberschenkeln ging. Aber sie hatten es nicht mehr eilig. Ed klangen noch die Ohren von der Explosion. Obwohl er im entscheidenden Moment den Kopf weggedreht hatte, fühlte sich seine Gesichtshaut ledrig und verbrannt an, so als hätte er zu lange in der Sonne gelegen. Conor klagte über Kopfschmerzen und eine Gehirnerschütterung, doch seine Laune hatte sich merklich gebessert. Als Ed ihn fragte, ob er glaube, dass die Sprengung die gewünschte Wirkung erzielt habe, antwortete er mit unverhohlener Selbstzufriedenheit: »O ja, das habe ich im Gefühl.«
    »Dann hoffen wir mal, dass Ihr Gefühl Sie nicht trügt«, sagte Ed.
    »Wir werden es bald genug erfahren. Wenigstens haben wir nicht den gesamten Leicester Square von der Landkarte getilgt. Eigentlich komisch. Vor dreißig Jahren hätte ich mir genau das gewünscht. Und ich hätte mir auch gewünscht, Sie umzubringen. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich das auch vor, nachdem Sie heute plötzlich vor meiner Tür standen.«
    »Und was hat Sie davon abgehalten?«
    »Na ja, der Wunsch, die Leute aus dem Zug zu retten, wurde irgendwann größer.«
    Calvert wartete am Ende der Rolltreppe auf sie. »Wir haben die Explosion gehört. Die Sondereinsatztruppe im Tunnel hat gemeldet, dass der Wasserpegel gesunken ist. Der Zug wurde gestürmt und gesichert.«
    »Überlebende?«, fragte Ed.
    »Wir kennen noch keine Zahlen oder Einzelheiten, aber ja, es sieht ganz danach aus.«
    »Was ist mit den Sprengsätzen?«
    »Offenbar gab es gar keine.«
    »Es gab keine?«
    »Denning scheint geblufft zu haben.«
    »O Mann.«
    »Ed!« Er erkannte die Stimme, auch wenn sie von einem völlig veränderten Menschen zu stammen schien. Die Schritte des Professors näherten sich eilig. »Ed, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll! Sieht so aus, als hätten wir’s tatsächlich geschafft!« Ed wollte ihm die Hand geben, doch Frank ignorierte sie und riss ihn in seine Arme. Der Professor war ihm bisher nicht als überschwänglicher Mensch erschienen, und Ed war ein wenig verdutzt, erwiderte die Umarmung jedoch und klopfte Frank freundschaftlich auf den Rücken.
    »Gut gemacht, Frank. Ohne Sie hätten wir es nicht geschafft.«
    »Ich unterbreche diese rührende Szene nur ungern«, meldete sich Conor zu Wort, »aber ich denke, ich mache mich aus dem Staub.«
    »Ed?«, flüsterte Calvert eindringlich, und Ed beugte sich zu ihm. »Es wird eine ziemlich intensive Nachbesprechung des Einsatzes geben, fürchte ich, und es könnte sein, dass wir Conor noch brauchen.«
    Ed war es egal, wer ihn hörte, als er mit lauter Stimme antwortete: »Nick, Sie müssen mir einen letzten Gefallen
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