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9 Stunden Angst

9 Stunden Angst

Titel: 9 Stunden Angst
Autoren: Max Kinnings
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an!«
    »Aber das waren die Sachen, die auf der Kommode lagen.«
    »Ich mach das schon«, erklärte sie in leidgeprüftem Tonfall, so als würde ihr Mann seine Kinder an heißen Tagen grundsätzlich zu warm anziehen. George drehte sich zu Sophie und Ben um und verdrehte die Augen, während Maggie die Treppe hinaufstapfte.
    »Dummer Daddy, was?«
    »Dummer Daddy«, bestätigte Sophie und grinste.
    George hatte Ben und Sophie zwar gerade erst einen Kuss gegeben, aber wie er die beiden so am Küchentisch sitzen sah, verspürte er den Drang, sein Gesicht in ihre Haare zu graben und genüsslich ihren Duft nach Honig, frisch gebackenen Keksen und Shampoo in sich aufzusaugen. Wie er diesen Geruch liebte!
    Auf der Arbeitsfläche neben der Mikrowelle saß Sophies Lieblingspuppe Poppy.
    »Guck mal, da ist Poppy! Sie winkt dir zu und sagt: ›Hallo, Sophie!‹« Er sprach wieder mit seiner hohen, für die Kinder reservierten Stimme. Sophie riss ihm die Puppe aus der Hand und drückte sie stürmisch an sich. Weil in diesem Moment Maggie zurückkam, ergriff George eilig die Flucht, schnappte sich seine Tasche vom Treppengeländer und ging zur Haustür. Er winkte Ben und Sophie noch einmal zu, rief mit seiner hohen Stimme »Tschüss, ihr zwei!« und kehrte dann für Maggie zu seiner normalen Tonlage zurück: »Bis später!«
    Er warf seiner Frau eine Kusshand zu, die ebenfalls die Luft küsste und ihm zulächelte. Nachdem George die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte, eilte er den Gehweg entlang auf sein Auto zu. Dort angekommen, stieg er ein, legte seine Tasche auf dem Beifahrersitz ab und wollte gerade den Schlüssel ins Zündschloss stecken, als er einen unbekannten Handy-Klingelton hörte. Er tastete in der Hosentasche nach seinem Handy. Vielleicht hatte Sophie daran herumgespielt und den Klingelton – »Train in Vain« von The Clash, einer seiner absoluten Lieblingssongs – versehentlich geändert. Aber das Display seines Handys war dunkel. Das Klingeln schien aus dem Handschuhfach zu kommen. Er klappte es auf und entdeckte ein Handy – ein neueres, hochwertigeres Gerät als seins – und daneben ein kabelloses Headset. George nahm das Handy aus dem Handschuhfach und zuckte zusammen, als er den Namen des Anrufers auf dem Display sah: Maggie. Seine Maggie? Was hatte das zu bedeuten? Seine Frau rief ihn auf einem Handy an, das nicht ihm gehörte?
    Plötzlich kam ihm ein unangenehmer Gedanke: Vielleicht hatte Maggie einen Liebhaber, der sein Handy in Georges Auto vergessen hatte. Und jetzt dachte sie, sie würde ihn anrufen. So musste es sein. Er hatte sie auf frischer Tat ertappt, und das sollte sie ruhig wissen. Also drückte er auf Annahme und hob das Handy ans Ohr.
    »Maggie?«
    »Sieh zum Fenster, George … zum Fenster unseres Hauses … zum Fenster.« Ihre Stimme klang seltsam, so als würde sie weinen. Bestimmt war ihr inzwischen klar geworden, dass sie einen großen Fehler begangen hatte, einen Fehler, der sie die Ehe kosten könnte. Er blickte dennoch zum Fenster. Vielleicht hatte sie ja doch keine Affäre, sondern wollte ihm nur noch einmal zum Abschied zuwinken. Oder Sophie und Ben hatten diesen Wunsch geäußert. Aber warum? Das taten sie doch sonst auch nicht. Und warum lag ein fremdes Handy in seinem Handschuhfach?
    Plötzlich trat ein Mann ans Wohnzimmerfenster, ein schlanker, ganz in Schwarz gekleideter Mann, der eine Wollmütze mit Augenschlitzen trug. Mit einer Hand umklammerte er Sophie, die weinte und zappelte, und mit der anderen hielt er ihr eine Waffe an den Kopf.
    07.45 Uhr
    14 Highfield Road, South Wimbledon
    Jeder Rest Hoffnung, dass es sich vielleicht doch um einen Probedurchlauf handelte, erstarb in Simeon, als Tommy die Hintertür des Hauses aufstemmte. Es sah aus, als hätte er so etwas schon hundert Mal gemacht. Er schien nicht einmal nervös zu sein. Simeon hingegen kämpfte gegen die Übelkeit an, als sie in die Küche schlichen und die Frau erschreckten. Er stieß ihr seinen Revolver in den Rücken, während Tommy ihr erklärte, was sie ins Telefon sagen sollte.
    »Bitte tun Sie ihnen nicht weh!«, schrie die Frau, als Tommy sich den Kindern näherte.
    »Seien Sie still, dann wird alles gut.« Simeon kam sich vor, als würde er den Text eines Theaterstücks aufsagen. In Wirklichkeit hatte er keine Ahnung, ob je wieder irgendetwas gut werden würde. Tommys und Belles Plan war ihm in den vergangenen Wochen manchmal wie eine Fata Morgana vorgekommen, was nicht hieß, dass die beiden
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