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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof
Autoren: Karl May
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noch draußen auf der Straße gehört werden konnte. Hierauf schnellte er sich empor, warf das Messer weit von sich und stürzte auf sein Kind zu. Er kniete vor ihm nieder, drückte es an sich und rief, es küssend und immer wieder küssend:
    „Mein Sonnenscheinchen, mein liebes, liebes Sonnenscheinchen –! Ja, ja, es ist richtig: Der liebe Gott hat dich von draußen hereingeschickt –! Was hätte ich getan – was, was? – Das war der Mord, der Mord! – Es war finster vor meinen Augen, ganz finster, dunkel, dunkel! Da kamst du, der liebe, helle Sonnenschein. Da wurde es wieder licht – licht – licht –! Ja, komm, komm, komm – hinaus ins Freie! Der Spruch, den du gesagt hast, ist mir unbekannt – aber das weiß ich, daß er vom Himmel gekommen ist, damit du deinen Vater retten mögest. – Hinaus ins Freie! Auch du mit, meine Mutter! – Das soll das letzte Mal im Leben sein, daß ich mich vom Zorn um den Verstand bringen lasse!“
    Er hob das Sonnenscheinchen empor an seine Brust, reichte der Schwiegermutter die Hand und ging mit beiden hinaus, ohne sich um den Pachthofer zu bekümmern, der aufgestanden war und vor sich hin schaute, als ob ihm alle seine Gedanken abhanden gekommen seien. Felber wollte geradewegs heimgehen, blieb auf der Mitte der Straße stehen, weil er die Paule kommen sah. Ihr Besuch war beendet. Sie hatte das Notizbuch als Paketchen in der Hand. Und weiter unten, wer kam denn da? Das war ja der Wagen des Herrn Majors wieder! Warum war er umgekehrt?
    Was niemand bisher beachtet hatte, das sah Paule sofort, als sie ihren Mann erreichte. Sie wurde leichenblaß, schlug die Hände zusammen und rief erschrocken aus:
    „Fritz, was ist mit dir? Du blutest ja! Herrgott, du armer, armer Mann!“
    Sie riß ihm das Kind vom Arm, das Tuch vom Hals und den Kragen auseinander. Er aber lächelte ihr glücklich zu und antwortete:
    „Keine Angst, Paule! Es kann nicht gefährlich sein, denn ich fühle fast gar keinen Schmerz.“
    „Aber das Blut, das Blut! Bist du etwa gar gestochen worden?“
    „Ein kleines bißchen nur, kaum durch die Haut.“
    „Nein, nein! ich sehe es ja, der Stich geht tief in das Fleisch! Wer ist's gewesen? Oh, was frage ich denn! Dort steht er drin am Fenster. Ich sehe ihn, den Pachthofer; kein anderer kann –“
    Sie wurde unterbrochen, denn jetzt war der Wagen da und blieb neben ihnen halten.
    „Da seid ihr ja“, sagte die Frau Major. „Ich muß meine ‚Poesie‘ bei euch verloren haben. Ich vermisse sie; darum sind wir umgekehrt.“
    „Hier ist das Buch“, antwortete die Paule, indem sie das Päckchen in den Wagen reichte und dann schnell wieder zu ihrem Mann trat. „Es lag unter dem Stuhl. Ich wollte es Ihnen mit der Post schicken.“
    Während sie das sagte, hielt sie ihr Taschentuch an die Wunde, um das Blut zu stillen. Dadurch wurden die Herrschaften aufmerksam. Der Major stieg rasch aus dem Wagen und griff nach Felbers Hals.
    „Sie bluten!“ rief er aus. „Ah, ein Stich! Zwar nicht gefährlich, aber gleich neben der Ader. Lassen Sie es getrost laufen. Wir verbinden Sie dann. Vor allen Dingen: Wer hat Sie gestochen und warum?“
    Er fragte das sehr energisch. Felber zögerte zu antworten, aber einer der Bauern, welche hinter ihm herausgekommen waren, berichtete in kurzen Worten, was geschehen war. Er hielt sich dazu für verpflichtet, weil er der Gemeindevorstand war.
    „Wo ist der Messerheld?“ fragte ihn hierauf der Major, der als geistesgegenwärtiger und resoluter Mann sofort wußte, was zu geschehen hatte.
    „Noch drin in der Stube!“
    „So kommen Sie mit herein! Ich werde die Sache untersuchen.“
    Und zur Frau Major gewendet, fuhr er fort:
    „Du fährst mit Felber und seiner Frau nach der Apotheke. Dort laßt ihr euch Verbandzeug geben, um ihn zu verbinden. Du verstehst das ja vortrefflich. Dann kommt ihr zu mir. Ich werde entweder im Gasthof oder da drüben im ‚Sonnenschein‘ sein. Der Junge mag aussteigen und inzwischen mit bei der Schwiegermutter bleiben.“
    Der Major verstand zu kommandieren. Was er gesagt hatte, geschah sehr schnell, und niemand schien damit zufriedener zu sein, als das ‚Majörle‘.
    „Komm Sonnenscheinchen“, sagte es, als der Wagen fort und der Vater hineingegangen war. „Ich weiß, was wir machen werden.“
    „Was?“ fragte das Kind.
    „Euer Häuschen ist die Apotheke. Ich werde gestochen, und du verbindest mich.“
    „Aber wer soll dich denn stechen?“
    „Das wird die Schwiegermutter
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