Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
besorgen. Sie nimmt das größte Messer, was ihr habt, oder gar hier meinen Säbel. Habt ihr Blut?“
    „Nein!“
    „Aber Leinwand, Kattun und Bindfaden?“
    „Das mag die Großmutter suchen. Ich weiß nicht, wo es steckt. Aber der Schlüssel zu der Lade hängt am Nagel.“
    „Den werden wir schon kriegen. Also komm!“
    Großmutter hatte das alles gehört. Sie schmunzelte dazu und ging, den Kindern voran, hinüber nach dem Häuschen, um alles zusammenzusuchen, was ihr für dieses Spiel als unerläßlich schien. Die Szene desselben wurde hinten in den Garten verlegt. Aber grad, als es zum ‚Stechen‘ kommen sollte, stellte es sich heraus, daß die Botenfrau das Spiel nicht mitmachen könne, weil sie sich von der Wirklichkeit zu sehr angegriffen fühlte. Sie behauptete, daß sie sich ein bißchen niederlegen müsse, weil ihr der Schreck noch jetzt in allen Gliedern liege. Doch störte das die Kleinen nicht.
    Das ‚Majörle‘ behauptete, daß es sich auch ohne Schwiegermutter zu behelfen wissen werde, und so zog diese, die beiden allein lassend, sich vollständig beruhigt in das Haus zurück.
    Inzwischen war der Harr Major durch die große Stube des Gasthofs nach dem danebenliegenden, sogenannten ‚Herrenstüble‘ gegangen, in welchem die Sitzungen des Dorfgemeinderats abgehalten zu werden pflegten. Im Vorübergehen hatte er befohlen, daß weder der Pachthofer, noch einer der anwesenden Zeugen sich entfernen dürfe. Er besaß als Gutsherr das volle Recht dazu. Er begann das Verhör, indem er erst die Zeugen einzeln kommen ließ. Der Pachthofer sollte dann der letzte sein. Es sollte aber anders werden, als er dachte.
    Der Wagen kehrte nämlich schon nach kurzer Zeit zurück. Felber war verbunden worden und kam mit der Frau Major und Paule nach dem Stüble. Als er hörte, wie streng der Major das geschehene nehmen wollte, bat er um Gnade für den Pachthofer.
    „Er wird arretiert und in die Stadt in das Gericht geschafft“, erklärte der Gutsherr. „Es liegt schwere Körperverletzung vor. Einen Zoll weiter nach rechts, so hätte er die Schlagader zerschnitten, und Sie, Felber, wären jetzt eine Leiche!“
    „So bitte ich, auch mich arretieren zu lassen, Herr Major!“ antwortete der Genannte.
    „Sie? Unsinn! Weshalb?“
    „Wegen Mordversuchs! Wäre mein Kind nicht gekommen, so hätte ich den Pachthofer ganz gewiß erstochen.“
    „Aber Sie haben es nicht getan und das genügt. Selbst wenn Sie es getan hätten, wären Sie zu entschuldigen gewesen, da ein Akt der Notwehr vorlag.“
    „Das war nicht mehr Notwehr. Ich bin stärker als er. Ich mußte ihm das Messer nehmen und damit war es gut!“
    „Aber Ihre Schwiegermutter erhöhte durch ihr unbedachtsames Dareinmischen die Gefahr, in der Ihr Leben stand. Sie haben gar keine Veranlassung, sich selbst anzuklagen. Der Pachthofer hat begonnen, und Sie sind ruhig und kaltblütig geblieben, bis er zum Messer griff. Er beschuldigte Sie, ihn bei mir verleumdet zu haben, während Sie mich doch grad im Gegenteil bewegten, ihn nicht fortzujagen, was ich nun aber unbedingt tun werde.“
    „Aber Herr Major, ich bitte –“
    „Keine Bitte mehr!“ unterbrach ihn der Offizier. „Sie wissen nicht, wie ich geschäftlich mit ihm stehe. Er ist nicht nur ein säumiger Zahler, sondern ein Lump, ein Fälscher und Betrüger. Wenn ich ihn anzeigen wollte, wo würde er bestraft, auch ohne daß er Sie gestochen zu haben braucht. Hören wir die Zeugen weiter!“
    Er hatte das in einem Ton gesagt, der keinen weiteren Einspruch duldete. Darum war Felber für jetzt still, nahm sich aber vor, den mißlungenen Versuch doch nicht gänzlich aufzugeben.
    Als alle Zeugen vernommen worden waren und ganz genau dasselbe ausgesagt, also vollständig entlastend für Felber gesprochen hatten, wurde der Pachthofer hereingerufen. Er kam. Sein Aussehen war das eines Menschen, der sich seiner Schuld zwar wohl bewußt ist, sie aber nicht bereut. Der Blick, den er auf Felber warf, sagte deutlich, daß der Verwundete sich auch ferner in acht zu nehmen hatte. Der Major bemerkte das, und darum fühlte er sich noch weniger zur Milde gestimmt, als vorher.
    „Gibt es hier bei der Ortspolizei Handschellen?“ fragte er den Vorstand.
    „Nein“, antwortete dieser. „Hier im Dorf wurde noch nie so etwas gebraucht.“
    „Nun, so genügen wohl ein paar feste Stricke auch, einen Mörder und Betrüger nach dem Stadtgefängnis zu schaffen.“
    Bei dieser Drohung wurde es dem Pachthofer denn doch angst,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher