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72 Tage in der Hoelle

72 Tage in der Hoelle

Titel: 72 Tage in der Hoelle
Autoren: Nando Parrado , Vince Rause , Sebastian Vogel
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die Nachricht mit rüpelhaftem Jubel.
    Um 14 Uhr 18 Ortszeit hob die Fairchild endlich vom Flughafen Mendoza ab.Während des Steigfluges legte die Maschine sich in eine steile Linkskurve, und wenig später waren wir in Richtung Süden unterwegs. Zu unserer Rechten erstreckten sich die argentinischen Anden bis zum Horizont. Ich starrte durchs Fenster, auf die Berge, die sich von der dunklen Hochebene unter uns erhoben wie eine schwarze Luftspiegelung: so düster und majestätisch, so erstaunlich öde und gewaltig sahen sie aus, dass schon der Anblick mein Herz rasen ließ. Den Fuß bildeten riesige Erhebungen aus Muttergestein mit gewaltigen Sockeln, die sich über viele Kilometer erstreckten, und daraus stiegen ihre schwarzen Bergrücken auf. Gipfel drängte sich an Gipfel, und es sah aus, als bildeten sie eine gewaltige Befestigungsmauer. Ich war ein junger Mann ohne besondere poetische Neigung, aber in der Art, wie die Berge voller Autorität ihre Stellung hielten, schien mir eine Warnung zu stecken, und ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, dass sie Lebewesen waren, mit einem Geist und einem Herzen und einer Botschaft. Kein Wunder, dass unsere Altvorderen diese Berge für heilige Orte hielten, für Stufen zum Himmel und den Wohnort der Götter.
    Uruguay ist ein recht flaches Land, und so beschränkten sich meine Kenntnisse über die Anden oder über Gebirge im Allgemeinen auch auf das, was ich in Büchern gelesen hatte. Meinen Freunden im Flugzeug erging es nicht anders. In der Schule hatten wir gelernt, dass die Anden das längste Gebirge der Welt sind: Sie ziehen sich über die gesamte Länge Südamerikas, von Venezuela im Norden bis zur Südspitze des Kontinents in Feuerland. Außerdem wusste ich, dass die Anden, was die durchschnittliche Höhenlage angeht, das zweithöchste Gebirge der Erde sind. Höher ist nur noch der Himalaya.
    Ich hatte gehört, wie andere die Anden als das größte geologische Wunder unseres Planeten bezeichnet hatten, und beim Blick aus dem Flugzeugfenster wusste ich ganz instinktiv, was sie damit meinten. Nach Norden, Süden und Westen erstreckten sich die Berge, so weit das Auge reichte, und obwohl sie viele Kilometer entfernt waren, ließen ihre Höhe und Masse sie unüberwindlich aussehen. Was uns betraf, waren sie das auch. Unser Reiseziel Santiago lag westlich von Mendoza, fast genau auf demselben Breitengrad, aber der Teil der Anden, der die beiden Städte trennte, gehörte zu den höchsten Abschnitten der ganzen Kette und beherbergte einige der höchsten Berge der ganzen Welt. Irgendwo dort unten lag beispielsweise der Aconcagua, der höchste Berg der westlichen Hemisphäre und weltweit die Nummer sieben. Mit seiner Höhe von 6963 Metern ist er nur 1880 Meter kleiner als der Mount Everest, und er hat weitere Riesen als Nachbarn, darunter der 6705 Meter hohe Mercedario und der Tupongato mit 6570 Metern. Rund um diese Giganten liegen andere großartige Gipfel mit Höhen zwischen 4900 und 6000 Metern, bei denen sich in dieser Wildnis noch nicht einmal jemand die Mühe gemacht hat, ihnen Namen zu geben.
    Da sich vor uns solche Gipfel auftürmten, konnte die Fairchild mit ihrer maximalen Flughöhe von 6700 Metern unmöglich direkt in ost-westlicher Richtung nach Santiago fliegen. Die Piloten hatten sich vielmehr eine Route ausgesucht, die uns von Mendoza rund 160 Kilometer nach Süden zum Planchón-Pass führen sollte, einem schmalen Korridor durch das Gebirge, dessen Berge so niedrig waren, dass die Maschine darüber hinweg kam.Wir würden entlang des östlichen Anden-Vorgebirges nach Süden fliegen, bis wir den Pass erreichten. Dann wollten wir nach Westen abdrehen und die Route durch die Berge nehmen. Sobald wir sie auf der chilenischen Seite hinter uns hatten, sollten wir wieder einen nördlichen Kurs nehmen und nach Santiago fliegen. Für den ganzen Flug waren etwa eineinhalb Stunden veranschlagt.Wir würden noch vor Einbruch der Dunkelheit in Santiago sein.
    Auf der ersten Etappe herrschte ruhiges Wetter, und nach einer knappen Stunde hatten wir den Planchón-Pass erreicht. Natürlich kannte ich weder seinen Namen noch irgendwelche Einzelheiten der Flugroute. Aber mir fiel auf, dass wir die Berge anfangs immer zu unserer Rechten in der Ferne gesehen hatten und jetzt nach Westen direkt ins Herz der Andenkette vordrangen. Ich hatte einen Fensterplatz auf der linken Seite der Maschine, und als ich jetzt hinausblickte, veränderte sich die Landschaft ganz plötzlich: Erst
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