Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
einem guten Glas der Sängerin in die Fenster zu blicken. Der Baron führte Anton an das Fenster seines Schlafzimmers und zeigte ihm die in der ersten Etage des betreffenden Hauses gelegenen Fenster des neuen Logis.
    „Das ist ja ganz vortrefflich!“ sagte Anton.
    „Und für mich paßt es noch vortrefflicher“, dachte der falsche Baron. Laut aber fügte er hinzu: „Nun rate ich dir, sofort auszuziehen, vorher aber der Wirtin deinen Abschiedsbesuch in einer möglichst verächtlichen und beleidigenden Weise zu machen.“
    „Pah! Ich möchte sie am liebsten gar nicht ansehen.“
    „Meinetwegen. Du könntest ihr das auch durch den Lakaien sagen lassen; aber vielleicht bekämst du dabei die Sängerin zu sehen.“
    „Da hast du recht“, stimmte Anton sofort bei. „Ich gehe hinauf und werde gleich Toilette machen.“
    Er trat an den am Fensterpfeiler befestigten Spiegel. Dabei fiel sein Blick auf die Straße.
    „Was! Wer ist das?“ rief er aus. „Das ist ja der Fex!“
    Als der Baron diesen Namen hörte, trat er sofort an das Fenster. Aber er sah niemanden.
    „Der Fex?“ fragte er. „Welch ein sonderbarer Name. Wer ist das?“
    „Gleich, gleich! Er muß in unser Haus getreten sein. Ich muß das wissen. Ein Bekannter von mir. Entschuldige einen Augenblick!“
    Er eilte hinaus, durch das Vorzimmer und öffnete die nach dem Hausflur gehende Tür. Es befand sich niemand da. Droben aber klingelte es. Er hörte eine fragende Männer- und eine antwortende Frauenstimme, und dann ging die Vorsaaltür zu.
    Jetzt kehrte er zu dem Baron zurück.
    „Er war es“, sagte er. „Er ist oben hinein, bei der Wirtin. Was mag er dort wollen?“
    Der Baron war auf das freudigste überrascht, den Namen dessen zu hören, den er hier in Wien suchte, dessen Ankunft er bisher vergeblich erwartet hatte. Aber er durfte sich das nicht merken lassen. Darum fragte er im ruhigen Ton:
    „Wer ist denn eigentlich das Subjekt, welches du Fex nennst? Wohl ein Original, wie der Name andeutet?“
    „Nein, aber doch ein höchst sonderbarer Mann. Er war Fährmann, galt für blödsinnig, war es aber nicht, sondern hatte sich nur so gestellt. Jetzt ist er Baron.“
    „Wie ist das möglich?“
    „Er war das abhanden gekommene Kind sehr reicher Eltern.“
    „Kennst du den Namen derselben?“
    „Gulijan. Das Stammschloß der Familie liegt, glaube ich, in der Nähe irgendeines mir unbekannten Nestes, welches Slatina heißt.“
    Jetzt wußte der Baron, daß er den Richtigen entdeckt hatte. Er fragte weiter und ließ sich von Anton, welcher dabei ununterbrochen an seiner Toilette arbeitete, alles erzählen, was er wußte.
    „Wunderbare Schicksale, die dieser junge Mann gehabt hat!“ sagte er dann. „Ich möchte ihn wohl kennenlernen.“
    „Nichts ist leichter als das. Wir sind sehr gute Bekannte, fast möchte ich sagen, Freunde. Ich werde ihn dir vorstellen.“
    „Prächtig! Aber wann?“
    „Heut natürlich noch, jetzt, wenn du es wünschest. Ich werde ihn oben bei der Wirtin sprechen.“
    „So beeile dich!“
    Als der Sänger dann noch die Hilfe seines Dieners in Anspruch genommen hatte, um sich salonfähig zu machen, begab er sich nach oben und fragte Martha, welche öffnete, ob Frau Salzmann zu sprechen sei. Er wurde in den Salon geführt, erblickte aber den Fex nicht, da dieser sich in Lenis Zimmer befand. Frau Salzmann war auch dort und wurde durch Martha von der Anwesenheit ihres Mieters benachrichtigt. Sie begab sich zu ihm.
    Er machte eine mehr höhnische als höfliche Verbeugung und sagte:
    „Störe ich etwa?“
    „Ja“, antwortete sie aufrichtig.
    „Sie werden es sich gefallen lassen müssen, denn es sind zwei Gründe, welche meine Anwesenheit hier nötig machen.“
    Sie schwieg und blickte ihn erwartungsvoll an.
    „Ich teile Ihnen nämlich mit, daß ich jetzt ausziehen werde.“
    „Das erfreut mich ungemein!“
    „Auch ich bin froh, bei anderen und höflicheren, gebildeteren Leuten wohnen zu können!“
    „Ich gratuliere – aber nicht Ihnen, sondern diesen Leuten. Wenn Sie sich bei denselben in der ersten Nacht so einführen, wie Sie sich in der letzten Nacht hier verabschiedet haben, so werden sie bald wissen, was für einen gebildeten Mieter sie haben.“
    „Frau Salzmann!“ rief er zornig.
    „Schon gut! Sie haben mir jetzt den einen Grund mitgeteilt. Darf ich auch den anderen erfahren?“
    „Natürlich. Es ist ein Herr bei Ihnen?“
    „Nein.“
    „Ich sah ihn eintreten und hörte ihn auch hier oben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher