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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
Autoren: Karl May
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Andenken.“
    „Ach, ist es so! Nun, da mag es geschehen. Also her damit, Herr König! Das soll mir ein Andenken sein, bis sie mich ins Grab legen!“
    Während er die Doppelkrone einsteckte, fragte der König:
    „Ist die Leni arm?“
    „Wie eine Kirchenmaus, Majestät. Sie ist ein Waisenmädel und hat weder Kind noch Keg – Donnerstag, da hätte ich fast eine Dummheit gesagt! Woher soll denn bei so einem braven Dirndl das Kind kommen, und nun erst gar der Kegel! Nein, sie hat keinen Anverwandten.“
    „Und sie singt gern?“
    „Den ganzen, geschlagenen Tag, besonders aber in der Früh und Abends, grad wie eine Amsel. Es ist, als ob sie mit Mehlwürmern und Ameiseneiern gefüttert würde. Lassen Sie sich halt etwas vorsingen; aber richten Sie so ein Kompliment von mir aus, und sie soll Sie gut aufnehmen. Sie hat nicht gern mit den Stadtherren zu tun, die alle nix taugen. Meine Empfehlung aber gilt sehr viel bei ihr, denn ich bin der Pate.“
    „Schön! Erst aber wollen wir deine Wurzeln wieder auflesen.“ Er bückte sich. Da rief der Alte:
    „Nein, nein! Kreuzschockschwerebrett! Jetzt werde ich mir auch noch von meinem König die Wurzeln aufklauben lassen! Das kann ich schon selbst tun.“
    Aber seine Einrede wurde nicht beachtet. Der König hatte an dem Alten Wohlgefallen gefunden und weidete sich an der glückstrahlenden Verlegenheit desselben. Dann schieden sie, wobei Sepp eine so tiefe Verbeugung machte, daß ihm der Rucksack vom Rücken über den Kopf herabfiel.
    Der Monarch hatte nicht weit zu steigen. Leni stand, als er oben ankam, an der andern Seite des Hauses; er sah sie also nicht und stieß nach der dortigen Sitte einen Juchzer aus. Sofort kam sie um die Ecke geeilt.
    „Grüß Gott, Muren-Leni!“
    „Grüß Gott auch! Ja, kennst mich denn?“ fragte sie, ihn betrachtend.
    „Ja; ich hab von dir gehört. Gefall ich dir?“
    „So halb und halb! Wannst nicht ein Stadtherr wärst, so könnst mir halt besser gefallen.“
    „Ich will diese Nacht bei dir bleiben.“
    „Da in der Hütten drin?“
    „Ja.“
    „Jesses! Da kommst falsch an. Geh weiter!“
    „Ich kann nicht weiter.“
    „Wer bist denn?“
    „Ich hab mein Amt und Geschäft drin in München und heiße Ludwig. Der Wurzelsepp, dein Pate, kennt mich sehr gut und läßt dir sagen, daß du mich gut aufnehmen sollst.“
    Sie blickte ungläubig zu ihm auf.
    „Ob's auch wahr ist?“
    „Es ist wahr. Ich habe da unten an der Felsenecke mit ihm gesprochen. Sehe ich denn wie ein Lügner aus?“
    „Na, sauber und gebaut bist schon, und ein gutes Gesicht hast auch, so ein braves und vornehmes. Ich werde dich also behalten. Setz dich einstweilen her auf die Bank, bis ich wiederkomme. Ich muß die Rinder und Ziegen in den Stall heimsen.“
    „Bleiben die heut nicht im Freien?“
    „Sie können wohl; aber da jenseits gibt es einen Bären, eine große Seltenheit, der sich von drüben herüber verlaufen hat. Wenn der dahergekraxelt käme und mir eine Kuh erwürgte, so könnte ich in meinem ganzen Leben schon gar keine Freud nicht mehr haben.“
    Sie ging. Er setzte sich und blickte ihr wohlgefällig nach. Als sie dann die Tiere getrieben brachte, beobachtete er ihre Bewegungen, nickte befriedigt vor sich hin und sagte im stillen:
    „Große Stimme, schöne Gestalt, gewandte Bewegungen, Umsicht und Gewissenhaftigkeit! Sie soll mir in die Schule. Das gibt eine Sängerin, einen Stern am Kunsthimmel. Ich glaube, ich habe da eine Brunhild, eine Walküre, eine Isolde gefunden.“
    Als sie dann die Herde getränkt und in den Stall geschlossen hatte, meinte sie:
    „Ein Bett werde ich dir im Heu machen, ein schönes, weiches. Jetzt nun wirst aber auch Hunger haben?“
    „Ja. Hier im Rucksack befindet sich allerlei. Mach, was du daraus bringst. Du sollst mit mir essen und mir dann von dir erzählen.“
    Sie gewann Vertrauen zu ihm und gab sich ganz so, wie sie war. Sie aßen zusammen, grad als das Ave-Maria-Glöckchen aus dem Tale emporschallte. Da er nicht so schnell das Messer weglegte wie sie, sagte sie:
    „Mach, daß du dein Ave hersagst! So ist das hier oben bei mir Mode!“
    Dann saßen sie vor der Sennhütte auf der Bank. Leni hatte ganz zutraulich neben ihm Platz genommen. Sie erzählte von ihrem Leben; es war still, einfach und ärmlich verflossen; aber das kleinste Ereignis gab ihr Gelegenheit, ganz unbewußt ein reiches, tiefes, gemütvolles Seelenleben zu entwickeln und eine Urteilsschärfe zu entfalten, über welche sich der König
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