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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
Autoren: Karl May
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der Bock die Hörner und sprang mit solcher Macht gegen ihn ein, daß er niedergeschmettert wurde und sich mehrere Male überkugelte. Freilich wollte er sich schnell wieder erheben, aber kam gar nicht dazu, denn das zornige Tier stieß immerfort auf ihn ein und bearbeitete ihn so mit den Hörnern, daß ihm alle Rippen krachten.
    „Hilfe, Hilfe!“ brüllte er. „Ruft die Bestie fort, sonst massakriere ich sie!“
    „Massakriere sie doch!“ sagte Leni ruhig.
    Der alte Wurzelsepp aber hatte sich in den Laden des Heubodens geschwungen, schlug sich vor Entzücken mit der Faust den Schenkel und brüllte förmlich vor Lachen:
    „Herrlich, herrlich! Nein, so ein Gaudium! Nein, so eine Passion! Da möchte man vor Freud gleich die Beine über den Kopf zusammenschlagen. Peter, immer fest darauf, wie Blücher! Hopsa, hurra, zur Attacke geblasen, träterätätäh tschinkterumbumbum!“
    Der Alte war nämlich früher Soldat, und zwar Kavallerist gewesen, das einzige, worauf er sich etwas einbildete. Er hatte eine Wunde aufzuweisen und war stolz darauf, sein Blut für das Vaterland vergossen zu haben. Darum trug er an Sonn- und Feiertagen das Bändchen im Knopfloch, welches sein Kriegsherr ihm als Ehren- und Erinnerungszeichen geschenkt hatte.
    Leni war zufriedengestellt, von dem Zudringlichen befreit zu sein. Sie glaubte, die Lehre, welche er erhalten hatte, sei hinreichend genug, und darum rief sie den Bock zurück. Das Tier gehorchte sogleich, stellte sich aber in Positur, bereit, sofort wieder auf den besiegten Gegner einzuspringen.
    Dieser stand auf, kupferrot vor Wut. Er sprang nach seinem Gewehr und erhob es zum Schuß.
    Da aber sprang der alte Sepp vom Laden herab, faßte ihn am Arm und rief:
    „Was tust! Willst du dich an fremdem Eigentum vergreifen, Jäger! Weißt nicht, was das zu bedeuten hat!“
    „Laß mich raus!“ rief der Zornige. „Ich erschieße ihn!“
    „Das wirst bleibenlassen! Verstanden!“
    „Er hat mich gestoßen. Er muß sterben!“
    „Er hat nur seine Herrin beschützt. Was werden deine Vorgesetzten sagen, wenn sie erfahren, daß du auf die Alm steigst, um Mädchen Gewalt anzutun und Ziegenböcke zu erschießen! Nimm dich überhaupt in acht. Der Bock ist tapfer; er kommt wie Ziethen aus dem Busch. Er steht schon wieder parat und wird dich gern und gut den Berg hinabkugeln.“
    Der Jäger sah ein, daß es gefährlich für ihn sei, seinem Grimm zu gehorchen. Er senkte den Lauf des Gewehrs und fuhr den Alten an:
    „Was tust hier auf der Alm?“
    „Was ich tue? Schau, Jäger, ich habe halt kein Geld, um in den Zirkus zu gehen; darum steig ich den Berg hinauf und hab halt mein Vergnügen daran, zuzuschauen, wenn Ziegenbock sich stoßen. Das ist billiger, und aber auch so hübsch.“
    „Kerl, willst mich beleidigen!“
    „Dich? Das fällt mir gar nicht ein!“
    „Bist etwa schon längst hier?“
    „Bereits schon ehe du kamst.“
    „Und hast mich belauscht!“
    „Ja. Es war sehr amüsant.“
    „Das will ich mir verbitten!“
    „Schön! Erst will ich die Bürsten holen, um dich abzukehren, und dann kannst Weiterreisen, mit Extrazug, vierter Klasse, auf der falschen Weiche mit Eisenbahnzusammenstoß, bums, alles vom Bahndamm hinunter!“
    Er trat in die Hütte. Der Jäger aber hielt es für das beste, auf das Abbürsten zu verzichten. Er zischte der Sennerin zu:
    „Das sollst bezahlen, teuer bezahlen! Ich weiß schon wie. Denk an den Krickel-Anton!“
    Und ganz nahe zu ihr herantretend, fügte er hinzu:
    „Daß du es weißt: Er ist über die Grenze herüber, gestern bereits, und hat bei uns reviert. Die Wege sind alle besetzt; er kann nicht mehr hinüber. Wir halten eine Hetzjagd, und wenn wir ihn fangen, so spaziert er ins Zuchthaus. Dann, wenn du mit ihm tanzen willst, kannst hinein zu ihm gehen. Musik werden sie euch da schon machen. Jetzt steig ich hinauf nach dem Joch, um es zu besetzen. Kommt er etwa da hinauf, so gebe ich ihm gleich die Kugel vor den Kopf. Leb wohl, Sennerin!“
    Er ging. Hinter der Sennhütte blieb er stehen, um sich den Schmutz von den Kleidern zu wischen; dann stieg er bergan.
    Jetzt kam der Sepp wieder zur Tür heraus. Er hatte die Kuhstriegel in der Hand.
    „Ist er bereits fort, Leni?“
    „Ja.“
    „Das ist jammerschad. Ich wollte ihm doch das Fell glattmachen. Wie hat er mich genannt? Einen Spitzbuben und Betrüger. Herrgottsakra! Ich will es ihm aber nicht nachtragen, denn er hat es halt im Zorn gesagt, und er ist jung. Wenn sein Haar einmal die Farbe
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