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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
Autoren: Karl May
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vielleicht noch lebt, steckt in Sibirien.“
    „Was tut er da?“
    „Er ist Pelzhändler. Nur um uns zu ärgern, hat er früher immer von seinem Reichtum geschrieben. Der Kerl muß Geld haben wie Heu!“
    „In welchem Grad sind Sie mit ihm verwandt?“
    „Er ist mein Oheim, meines Vaters Bruder.“
    „Und in Sibirien?“
    „Ja. Das hat seine Gründe. Der Kerl ist ein Halunke. Nämlich er und mein Vater, diese zwei Brüder, waren in ein und dasselbe Mädchen vernarrt; denken Sie, beide in eine und dieselbe! Ist das nicht eine Dummheit? Der andere konnte sich doch eine andere aussuchen! Gut, daß ich keinen Bruder habe, denn ich bin jetzt auch so ein halber Narr. Meine Laura – na, das gehört eigentlich doch nicht hierher!“
    „Nein“, lachte der Fürst. „Lassen Sie also Ihre Laura jetzt in Ruhe!“
    „Ja. Ich kann ihr auch gar nichts tun, da sie nicht da ist. Also beide wollten eine. Freilich konnte sie nur einer kriegen, und das war mein Vater; ich bin ihr Sohn. Darüber aber war der andere fürchterlich wichsig. Er trachtete, sich zu rächen, und er wartete, bis es paßte. Beide Brüder waren Kürschner. Sie hatten einen großen Vorrat an Pelzwerk eingekauft. Sie machten ihr ganzes Vermögen flüssig, um es zu bezahlen. Der Oheim erhielt das Geld, um es zu überbringen. Er reiste ab und kam nicht wieder. Da stellte es sich heraus, daß er nicht nur mit dem Geld durchgebrannt war, sondern daß er sogar auch das eingekaufte Pelzwerk weiterverhandelt hatte. Er brannte also mit dem doppelten Betrag durch, über die russische Grenze hinüber. Mein Vater hat sich förmlich tot gearbeitet und gehungert, um die Scharte auszuwetzen; es ist ihm nicht gelungen. Er ist frühzeitig gestorben, an der Auszehrung. Zuweilen kam ein Brief aus Rußland, zuletzt aus Sibirien; darin stand, daß der Oheim steinreich geworden sei, aber seine Adresse war niemals angegeben; er wollte uns nur ärgern.“
    „Das sieht ihm ganz ähnlich!“ meinte Holm.
    „Wie? Kennen Sie ihn denn?“
    „Es scheint so.“
    „Sapperment!“
    „Ich habe ihn gesehen und mit ihm gesprochen.“
    „Wo denn? Wann denn?“
    „Heute, im Turm. Ich meine diesen Einsiedler Winter.“
    „Was? Der sollte –“
    „Er scheint Ihr Oheim zu sein.“
    „Dieser Mensch? Mit der Truhe, der Kiste und der Lade voller Geld?“
    „Ja. Er gab Ihren Namen an; er sagte, er heiße nicht Winter, sondern Hauck, und ich solle an Sie telegraphieren.“
    „Warte, Halunke, ich komme, und zwar sofort!“
    Er sprang von seinem Stuhl auf und wollte fort.
    „Halt!“ gebot der Fürst. „Keine Übereilung! Wir fahren ja mit.“
    „Das ist ganz gut; aber ich muß gleich fort!“
    „Warten Sie nur diese kurze Zeit! Sie können nicht allein hin. Es ist für Sie vorteilhafter, wenn wir als Zeugen dabei sind, wenn Sie mit diesem Mann sprechen. Übrigens müssen wir den Arzt rufen lassen, um ihn mitzunehmen. Wir brauchen ihn notwendig.“
    Der sanguinische Paukenschläger mußte sich fügen. Es wurde ein Bote nach dem Arzt geschickt, und dieser stellte sich sofort ein. Er beruhigte die Herren in Beziehung auf den Oberleutnant Hagenau. Nach dem Einsiedler gefragt, antwortete er:
    „Ich habe das Messer entfernt und ihn verbunden. Aber er hat keine Hoffnung. Ich bin überzeugt, daß er noch heute sterben wird.“
    Die Herren stiegen in die Wagen und fuhren weiter, nach Grünbach. Dort wurde im Schloß abgestiegen, von wo sie sich sofort nach dem Turm begaben.
    Der Fürst lobte die getroffenen Maßregeln und erklärte sich vollständig mit denselben einverstanden. Robert Bertram begrüßte ihn mit großer Freude. Theodolinde wagte nicht aufzublicken, als die Herren eintraten. Man achtete zunächst gar nicht auf sie. Die nächste Aufmerksamkeit wurde dem Einsiedler gewidmet.
    Der Arzt untersuchte ihn und erklärte leise, daß es mit ihm zu Ende gehe; man möge es kurz mit ihm machen.
    Der Staatsanwalt verhörte ihn. Der Sterbende gestand in kurzen, abgerissenen Worten alles ein und verlangte nur nach dem Paukenschläger Hauck. Dieser hatte sich bisher im Hintergrund gehalten, trat aber jetzt herzu.
    „Hier bin ich“, sagte er. „Ich heiße Hauck.“
    Der Einsiedler betrachtete ihn eine Weile wortlos; dann sagte er:
    „Ja, du bist es. Du siehst genauso aus wie dein Vater, als er in deinen Jahren war.“
    Er konnte nur schwer und langsam sprechen. Er holte tief Atem, bevor er fortfuhr:
    „Man hat dir von mir erzählt?“
    „Bist du der Oheim?“
    „Ja.“
    „So hat man
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