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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
Autoren: Karl May
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Residenz:
    „Herr Theaterkassierer Werner, Altmarkt 13, vier Treppen im Hinterhaus.
    Ich komme mit Extrazug. Schnell nach dem Bahnhof. Bringen Sie das ganze Volk mit, wie es leibt und lebt!“
    Als Werner dieses Telegramm erhielt, wußte er gar nicht, was er davon halten solle. Glücklicherweise kam Adolf, um Emilie zu besuchen. Dieser las die Worte und meinte dann:
    „In Wildau aufgegeben? Dorthin ist heute der Fürst mit mehreren Beamten. Jetzt passieren gar wunderliche Dinge. Es fehlt zwar die Unterschrift, aber Sie müssen doch hinaus nach dem Bahnhof.“
    „Mit der ganzen Familie?“
    „Ja. Ich gehe auch mit.“
    Draußen angekommen, erkundigte sich Adolf bei der Betriebsinspektion und erfuhr, daß allerdings in ungefähr zehn Minuten eine Extramaschine erwartet werde, welche angekündigt worden sei. Er ließ sich also den Perron öffnen und begab sich hinaus, mit dem ganzen Volk, wie es leibte und lebte.
    Der Extrazug kam und hielt. Der Zugführer sprang ab und öffnete unter einer tiefen Verbeugung die Tür zum Coupé erster Klasse. Wer stieg aus? Der Paukenschläger! Er kam sofort auf die Harrenden zu.
    „Schön! Meine Depesche erhalten?“ sagte er.
    „Ah! Sie sind es?“ fragte Werner. „Wie kommen Sie zu einem Extrazug?“
    „Das will ich Ihnen erzählen. Kommen Sie nur herein. Wir lassen uns ein separates Zimmerchen geben.“
    Sie folgten ihm ganz erstaunt. Fast vermuteten sie, daß er übergeschnappt sei. Noch mehr Angst bekamen sie, als er dem Kellner befahl, ein feines Frühstück nebst Wein zu bringen und ein Duzend Flaschen Champagner kalt zu stellen.
    „Wundern Sie sich nicht!“ lachte er. „Ich bin ein sehr solider Kerl. Heute habe ich Veranlassung, mich zu freuen. Heute will ich einmal verschwenderisch sein – das erste und das letzte Mal im ganzen Leben. Ich habe nämlich hunderttausend Erbschaftssteuer in meine Tasche zu stecken. Also, kommen Sie!“
    In dem separaten Zimmerchen ging es dann so lustig her, daß die im Saal befindlichen Gäste den betreffenden Kellner nach der Ursache fragten. Er antwortete:
    „Da hat ein armer Teufel ganz unerwartet eine große Erbschaft gemacht und sich ebenso unerwartet mit Laura Werner, der Tochter des Theaterkassierers, verlobt. Diesen braven Leuten ist das Glück zu gönnen!“
    Natürlich dauerte es nicht lange, so hatten sich die Ereignisse der letzten Nacht nicht nur in der Residenz, sondern im ganzen Land herumgesprochen. Dadurch wurde bekannt, was weitere Kreise bisher noch nicht gewußt hatten, nämlich daß Robert Bertram, der Pflegesohn des armen Schneiders, nicht nur der Verfasser der berühmten Heimat-, Tropen- und Wüstenbilder, sondern der verlorene und wiedergefundene Sohn des ermordeten Freiherrn Otto von Helfenstein sei.
    Infolgedessen wurde man doppelt gespannt auf den Ausgang des Monster- und Kriminalprozesses, welcher alle Welt jetzt in Atem hielt.
    Freilich gab es bei diesem Prozeß eine solche Masse von Arbeit zu bewältigen, daß Monat um Monat verging.
    Nach den Landesgesetzen mußte jeder Prozeß binnen höchstens zwölf Monaten ausgetragen sein. Hier aber war dies eine Unmöglichkeit. Das hohe Ministerium erklärte öffentlich, daß diese Ausnahme nicht zu vermeiden sei.
    Holm war indessen mit Hilda und Ellen nach Italien gegangen – Hagenau hatte sich ihnen angeschlossen, denn er war jetzt Hildas erklärter Bräutigam.
    Droben im Gebirge, zwischen Brückenau und Schloß Hirschenau, gab es seit längerer Zeit ein reges Leben. Der Fürst von Befour hatte ein bedeutendes Areal gekauft und ließ da auf einer Höhe, welche zu einer Seite fast senkrecht in die Tiefe fiel, nach außerordentlich detaillierten Angaben ein Schloß bauen.
    Das brachte der armen Bevölkerung reichen Erwerb, zumal das Schloß schnell fertig werden sollte und also eine desto bedeutendere Anzahl Menschen beschäftigt werden mußte.
    Alma von Helfenstein hatte von diesem Bau gehört; sie war dem Geliebten einige Male mit dem Wunsch nahegetreten, ihn ins Gebirge zu begleiten, um den Neubau in Augenschein zu nehmen, doch hatte er sie stets gebeten, ihm zuliebe davon abzusehen.
    Endlich, endlich war der Prozeß soweit gediehen, daß er zur Verhandlung gelangen konnte. Ein so außerordentlicher Fall stand in den Annalen der Kriminalgeschichte noch gar nicht verzeichnet. Tausende und Abertausende bemühten sich, Eintrittskarten zu erlangen – vergebens. Die berühmtesten Rechtslehrer und Polizisten aller Länder kamen herbei, um beizuwohnen. Die
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