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64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

Titel: 64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
Autoren: Karl May
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arbeitet, Herr von Scharfenberg.“
    „Ich bin bereit, Ihnen zu prozentieren.“
    „Wollen sehen!“
    Er nahm die Obligationen zusammen, ließ, wie zufällig, den Blick darauf fallen, machte eine Bewegung des Schrecks und rief, indem er die Papiere schnell wieder hinlegte:
    „Gott meiner Väter, was sehe ich!“
    Der Leutnant wurde unruhig.
    „Nun, worüber erschrecken Sie denn?“ fragte er.
    „Die Chilenen stehen freilich auf hundertzwölf, aber die von der letzten Emission. Sehen Sie, die Ihrigen sind heute auf fünfzehn gefallen. Morgen werden sie gar nichts mehr wert sein. Ich kann sie nicht als Zahlung nehmen.“
    „Donnerwetter!“ entfuhr es dem Leutnant. „Ich habe sie für Hundert und auch noch mehr nehmen müssen!“
    „Tragen Sie sie gleich wieder hin!“
    „Das wollte ich; aber ich kann sie nicht loswerden.“
    „Warum nicht?“
    „Die Herren, von denen ich sie habe, sind verreist.“
    „Wer sind die Leute?“
    „Ein Rentier Schönlein –“
    „Schönlein?“ fiel der Jude ein. „Den kenne ich; der ist gut, sehr gut. Er besitzt ein großes Vermögen.“
    „Aber er ist auf einige Monate verreist. Und einen zweiten Teil der Obligationen habe ich von Freimann und Compagnie.“
    „Auch gut, außerordentlich gut sogar.“
    „Herr Freimann ist auch verreist. Ich traf seinen Buchhalter, welcher nicht zu disponieren vermochte.“
    „So warten Sie, bis die Herren zurückgekehrt sind.“
    „Kann ich denn?“
    „Warum nicht?“
    „Ich brauche ja Geld!“
    „Sie scherzen. Die Scharfenbergs sind reiche Leute.“
    „Gewiß. Aber Sie wissen bereits, daß ich jetzt kein Kapital zur Verfügung habe. Und wie steht es denn mit meinem Ehrenschein?“
    „Er ist zu Ihrer Verfügung. Sie sind ja gekommen, ihn einzulösen.“
    „Sie nehmen aber die Obligationen nicht an!“
    „Sie sind wertlos.“
    „Aber anderes Geld habe ich nicht!“
    Da blickte der Jude mit dem Ausdruck des Unglaubens zu ihm hinüber und sagte:
    „Der Herr Leutnant ist ein spaßhafter Kavalier. Die Frist ist abgelaufen. Die Schuld muß bezahlt werden.“
    „Ich habe nur diese Papiere.“
    „Kein Geld?“
    „Nein.“
    Er hätte nicht einmal diese Papiere gehabt. Er hatte ja gestern Abend gegen sie und seinen Barverlust sein Leben eingesetzt und diesen Einsatz verloren. Heute nun waren ihm die Chilenen zugestellt worden, und zwar mit folgenden Zeilen:
    „Herr Leutnant.
    Sie haben den beifolgenden Obligationen gestern einen Wert angedichtet, den sie keineswegs haben. Obgleich nun nach dem offiziellen Paragraphen des Gesetzbuches Spielschulden nicht einklagbar sind, gebietet doch das Gesetz der Ehre, sie zu bezahlen. Sie setzten die Scheine je zehn Stück zu angeblich tausend Gulden. Ich habe sie von den anderen Gewinnern dafür erstanden und sende sie Ihnen in der Überzeugung zurück, daß Sie mir binnen vierundzwanzig Stunden den vollen Betrag bar zugehen lassen.
    Oberleutnant von Hagenau.“
    Infolge dieses Briefes war ihm himmelangst geworden. Er kannte Hagenau. Er wußte, wie streng dieser auf Ehre hielt. Er war überzeugt, bei ihm kein Erbarmen zu finden, wenn es ihm nicht möglich sei, das Geld binnen der angegebenen Frist zu beschaffen. Das anfängliche Verhalten des Juden hatte ihn mit Hoffnung erfüllt! Desto bitterer und größer war nun die darauffolgende Enttäuschung. Er fühlte eine förmliche Angst vor dem, was nun kommen werde.
    „Also nicht?“ fragte Salomon Levi.
    „Nein.“
    „Nun, da werde ich dafür sorgen, daß ich bezahlt werde!“
    „Darf ich fragen, was Sie tun werden?“
    „Ich werde diesen Ehrenschein Ihrem Oberst präsentieren!“
    „Beim Teufel! Das werden Sie unterlassen!“
    „Beim Teufel! Das werde ich tun!“
    „Sie ruinieren mich!“
    „Und Sie mich, wenn ich es unterlasse. Jeder aber ist sich selbst der Nächste.“
    „Ich hoffe, daß Sie Verstand annehmen!“
    „Oh, ich bin sehr bei Verstand! Ich weiß aber nicht, ob es sehr verständig ist, so wie Sie zu handeln!“
    „Donnerwetter!“
    „Fluchen Sie nicht, Herr Leutnant! Es hilft Ihnen zu nichts. Ich habe Ihnen bereits wiederholt Frist gegeben; nun aber brauche ich mein Geld; ich muß es haben!“
    „Sie brauchen es nicht!“
    „Meinen Sie! Können Sie in meine Bücher sehen? Ich werde gedrängt; ich muß zahlen. Die Frist, welche ich Ihnen in Rollenburg gab, ist abgelaufen. Wenn Sie nicht zahlen können, gehe ich zum Oberst.“
    Der Jude sprach in einem so entschiedenen Ton, daß Scharfenberg erkannte, daß es sein Ernst
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