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64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

Titel: 64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
Autoren: Karl May
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leihen, um zu bezahlen ihre Schulden und zu retten ihre Ehre, welche nicht ist wert einen Gulden und auch nicht einen Kreuzer.“
    Sie ging, und nach Verlauf von wohl erst einer Viertelstunde trat der Leutnant sporenklirrend ein.
    Er grüßte. Salomon Levi tat, als ob er es gar nicht gehört habe. Er hatte ein Papier vorgenommen, blickte nicht auf und gab sich den Anschein, als ob er mit einer höchst notwendigen Schreiberei beschäftigt sei.
    Der Leutnant hustete; es half nichts. Er räusperte sich sehr laut und sehr unwillig, und als der Jude sich auch jetzt zu keinem Wort herbeiließ, sagte er in stolzem Ton:
    „Herr Levi, sind Sie denn eigentlich zu sprechen oder nicht?“
    Jetzt hob der Jude den Kopf empor, warf einen unwilligen Blick auf den Frager und antwortete:
    „Sie sehen, daß ich beschäftigt bin. Ich habe meine Arbeit zu vollenden. Warten Sie einige Minuten!“
    „Gut! Aber denken Sie, daß ich wie ein Schulbube hier an der Tür stehen bleiben soll, bis Sie fertig sind?“
    „Dort steht ein Stuhl. Bitte, setzen Sie sich!“
    „Der Stuhl ist nicht leer.“
    „Legen Sie das, was Ihnen im Weg ist, herab auf den Fußboden. Ich kann Sie augenblicklich nicht bedienen.“
    Innerlich knirschend nahm der Leutnant das alte Gerümpel, welches auf dem Stuhl lag, weg und setzte sich.
    Der Jude ließ ihn sehr lange warten. Endlich legte er die Feder weg und sagte, wie von einer großen Anstrengung aufatmend:
    „So, nun bin ich bereit. Ah, warten Sie!“
    Er öffnete ein Pult, kramte in den darin befindlichen Schreibereien und brachte dann ein Papier zum Vorschein.
    „Ich weiß, weshalb Sie gekommen sind. Hier ist Ihr Ehrenschein, den Sie einlösen wollen.“
    Der Leutnant stand vom Stuhl auf, drehte, einigermaßen verlegen, den Schnurrbart und sagte:
    „Das ist allerdings der Zweck meines Besuches; doch muß ich Sie fragen, ob die Zahlung in barem Geld geschehen muß?“
    „Natürlich! Sie haben die Summe bar empfangen.“
    „Aber nicht von Ihnen.“
    „Aber ich habe den Schein ebenso bar bezahlen müssen.“
    „Ich kann Ihnen nur Papiere geben.“
    „Hm! Sind sie gut?“
    „Ich hoffe es. Wenigstens habe ich sie als gute empfangen.“
    „Zeigen Sie!“
    Der Offizier zögerte noch, die Wertobjekte vorzulegen. Er sagte:
    „Es sind Chilenen.“
    „Chilenen? O weh! Ich spekuliere nicht an der Börse.“
    „Ist auch nicht notwendig.“
    „Oh, solche Papiere nimmt nur ein Spekulant.“
    „Sie können sie ja sofort verwerten!“
    „Tun Sie das doch, und bringen Sie mir das Bargeld, welches Sie dafür erhalten. Sie sind der Besitzer der Papiere. Warum soll denn grad ich sie für Sie verwerten?“
    „Ich denke, es ist gleich, wer sie verkauft, Sie oder ich.“
    „So! Ich werde einmal nach dem Kurs sehen.“
    Er nahm die Börsenzeitung des heutigen Tages her, schlug die betreffende Seite auf, sah nach und meinte dann:
    „Nicht übel. Wie wollen Sie die Papiere verkaufen?“
    „Pari.“
    „Sie stehen hundertzwölf. Sie büßen dabei ein.“
    „Sie sehen also, daß ich Ihnen einen Verdienst gönne.“
    „Ja, das können Sie auch. Sie sind reich. Unsereiner aber hat sich anzustrengen, wenn man ehrlich durchkommen will. Also gut, ich nehme die Papiere zu Hundert.“
    Dem Leutnant wurde das Herz leicht; er trat an den Tisch heran, zog seine Chilenen hervor und begann aufzuzählen. Der Jude folgte seinen Bewegungen mit dem Blick einer Katze, welche mit der Maus ihr grausames Spiel treibt!
    „So“, sagte Scharfenberg. „Bitte, zählen Sie nach!“
    Salomon Levi zählte die Scheine, nickte befriedigt und sagte:
    „Es stimmt. Wenn der Herr Leutnant vielleicht einmal einen Vorschuß brauchen, so bin ich gern bereit, ihn zu geben.“
    „Wirklich?“
    „Ja.“
    „Wenn ich Sie nun beim Wort halte.“
    „Ich breche mein Wort nie.“
    „Wie nun, wenn ich gleich jetzt einer Summe bedürfte?“
    „Ganz gern! Wieviel wollen Sie haben?“
    „Einige tausend Gulden.“
    „Ich gebe sie Ihnen. Das Geld liegt ja da.“
    „O bitte! Ich möchte nicht dieselben Scheine haben, die ich Ihnen jetzt gegeben habe.“
    „Warum nicht?“
    „Ich antworte Ihnen das, was Sie selbst sagten: Ich spiele nicht an der Börse; ich spekuliere nicht!“
    „Aber in diesem Fall wäre ich ja weiter nichts als Ihr Geldwechsler. Sie bezahlen mich mit Obligationen, und ich borge Ihnen mein bares Geld!“
    „Wenn Sie es so nehmen, so kann ich nichts dagegen sagen.“
    „Aber Sie wissen jedenfalls, daß ein Wechsler nicht umsonst
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