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600 Stunden aus Edwards Leben

600 Stunden aus Edwards Leben

Titel: 600 Stunden aus Edwards Leben
Autoren: Craig Lancaster
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bezahle.

    Nachdem ich zu Hause meine Einkäufe ausgeladen und eingeräumt habe, stelle ich fest, dass der Postbote schon da gewesen ist. Im Idealfall würde ich meinen Daten gern hinzufügen, um welche Uhrzeit jeden Tag die Post gebracht wird, aber meine Projekte und Termine führen mich gelegentlich außer Haus, sodass ich den Postboten nicht immer sehe, wenn er vorbeikommt. Ich könnte natürlich eine Videokamera installieren, die seine Besuche aufzeichnet, wenn ich nicht zu Hause bin, aber Dr. Buckley sagt, dies sei genau die Art von Impuls, die ich lernen müsse zu kontrollieren.
    Ich bekomme nicht viel Post. Meine Rechnungen gehen direkt an meinen Vater, und er bezahlt sie. Weder das Haus noch mein Auto laufen auf meinen Namen, sodass ich auch wenig Werbung bekomme. So finden die Werbeleute nämlich heraus, wer man ist und wo man wohnt. Sie schnüffeln in öffentlichen Verzeichnissen wie Grundbüchern und Autozulassungen herum, und dann schreiben sie einem. Auch wenn man Kreditkarten beantragt, muss man damit rechnen, danach jede Menge Werbung zu bekommen. Die einzige Kreditkarte, die ich habe, ist für meine Einkäufe, und die Abrechnung geht an meinen Vater. Wenn diese Kreditkarte zu Werbesendungen geführt hat, dann kann ich nur vermuten, dass mein Vater sie bekommt. Aber ich mag keine Vermutungen. Ich bevorzuge Tatsachen.
    Heute liegt ein Brief im Briefkasten. Er ist von meinem Vater, in einem Umschlag aus seinem Büro. Ich bin erleichtert, dass es kein Brief von seinem Anwalt ist, aber ein Brief von meinem Vater verheißt nicht unbedingt Besseres. Um es herauszufinden, werde ich den Brief öffnen müssen.
    Edward,
    ich habe Deine Kreditkartenabrechnung für den letzten Monat erhalten. Es scheint alles in Ordnung zu sein, nur bei einer Abrechnung habe ich gestutzt: 49,95$ für
eHarmony.
    Ruf mich an, damit wir das besprechen können.
    Ted Stanton
    Ich hatte so eine Vermutung, dass das passieren würde. Jetzt ist es eine Tatsache.
    Ich gehe ins Haus, nehme den Telefonhörer auf und wähle die Büronummer meines Vaters.
    »Landratsamt von Yellowstone County.«
    »Hier ist Edward Stanton. Ich möchte meinen Vater sprechen.«
    »Einen Moment, bitte.«
    Ich lausche der Orchesterversion eines Popsongs – Muzak nennt man das. Es ist »My Love« von Paul McCartney.
    »Ted Stanton.«
    »Vater.«
    »Edward, danke, dass du anrufst. Wie geht es dir?«
    »Es geht mir gut, Vater.«
    »Kannst du mir etwas zu diesen neunundvierzig Dollar und fünfundneunzig Cent sagen?«
    »Ich habe mich bei
eHarmony
angemeldet.«
    »Was ist das?«
    »Das ist eine Onlinepartnervermittlung.«
    »Du suchst eine Freundin?«
    »Ich sehe mir die Onlineanzeigen an.«
    »Weiß Dr. Buckley davon?«
    »Meine Behandlung bei Dr. Buckley geht nur mich und Dr. Buckley etwas an.«
    »Eine Onlinepartnervermittlung, so, so.«
    »Ja.«
    Die Stimme meines Vaters klingt freundlicher. »Tja, das könnte vielleicht interessant werden, Edward. Es könnte dir guttun.«
    »Dann wirst du die Rechnung bezahlen?«
    »Sicher. Ja. Warum nicht?«
    »Es ist die einzige, die du bekommen wirst. Ich habe wieder gekündigt.«
    »Oh.«
    »Auf Wiederhören, Vater.«

    Ich denke, ich sollte Ihnen von
eHarmony
erzählen. Ich verbringe viel Zeit am Computer und sehe mir Webseiten im Internet an. Früher habe ich notiert, wie viele Stunden und Minuten ich im Internet verbracht habe, aber das tue ich nicht mehr. Als man für das Internet noch nach Zeit bezahlen musste, war es einfach, weil man nur die Zeit zu notieren brauchte, die auf der Rechnung stand, die man über das Internetkonto abrufen konnte. Jetzt kann ich über mein Kabelfernsehen aufs Internet zugreifen und für einen Pauschalpreis, den mein Vater bezahlt, so lange darin surfen, wie ich will. Manchmal stört es mich, dass ich die Zeit, die ich im Internet verbringe, nicht mehr aufschreibe, aber ich habe gelernt, das »hinzunehmen«, wie Dr. Buckley sagt. Dr. Buckley hat sich sehr für mich gefreut, als ich aufhörte, meine Internetzeit zu notieren. Ich weiß nicht genau, warum ihr das wichtig war.
    Neuerdings verbringe ich den Großteil meiner Onlinezeit auf Partnervermittlungsseiten. In der Fernsehwerbung wirken alle, die über das Internet Partner gefunden haben, immer so glücklich, und alle haben einen »Seelenverwandten« gefunden, was immer das bedeutet. Ich bezweifle, dass es einen wissenschaftlichen Beweis dafür gibt, dass sie ihren Seelenverwandten gefunden haben – woher wollen sie wissen, dass nicht
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